Gesiezt und lebensmüde

■ „jetzt“ – die neue bunte Jugendbeilage der „SZ“

Vor ein paar Wochen entdeckte ich „jetzt“, die Jugendbeilage meiner Lieblingszweitzeitung zum ersten Mal, und schon möchte ich es nicht mehr missen. Wie auch die durchgeknallte „Spaß-Humor-Satire“-Seite der Frankfurter Rundschau, wendet sich „jetzt“, das bunt ge-appelte Jugendmagazin der Süddeutschen einer als exotisch geltenden Gruppe zu: Der Jugend. Wobei zu vermuten ist, daß anders als bei der Literatur (dort gilt man noch bis 50 als jung) eher schüchtern rumpubertierende Heranwachsende angezielt werden. „Blob kann man da nur sagen“.

Von „Blob“, der „beliebtesten, verrücktesten und nur von Prominenten gehaßten Kult-Wochen- Show aus Rom“ war neulich die Rede; ein Kammerjäger aus San Francisco wurde vorgestellt, der einmal ein Pärchen beim Ficken überraschte – „das kann einem Kammerjäger auch nur im sonnigen Kalifornien passieren“; eine Reportage führte in eine Blindenschule, und Eva Wolf, „die 23jährige Betriebswirtschaftsstudentin aus Stuttgart“ muß wenigstens einmal pro Woche fliegen „irgendwohin, ins Blaue und mit der nächsten Maschine wieder zurück.“

Alles mögliche wird in „jetzt“ mal freundlich und sorgfältig, mal als Standardtext thematisiert. Der Hit der liebenswerten Magazinbeilage ist allerdings eine Seite mit dem Titel: „lebenswert“. Präsentiert wird dort die Hitliste der Gründe, „warum es sich diese Woche zu leben lohnt“. Und das ist natürlich furchtbar traurig und gibt betroffen zu denken. Denn wer „lebenswert“ schreibt, wem es durch die Woche hilft, dessen existentielle Not muß schon riesengroß (schnief), dessen Suizidneigung schon äußerst ausgeprägt sein. Bislang waren derartige publizistische Trost-Spenden dem Wachturm, christlichen Krankenhausblättern und den seltsamen Anzeigen in der Hörzu vorbehalten. („Ich zeig's dem Leben“, lächelte da neulich eine ältere Frau, nachdem sie dem feindlichen Alltag eins aufs Maul gegeben hatte mit ihrem gelben Boxhandschuh, fidel dank „Multibionta Plus Mineral“.)

Bislang stand Jugend für Leben, Lust und allerlei Schabernack. Daß sie sich werbetechnisch und zielgruppenmäßig inzwischen in der SZ mit einer Lebensmüdigkeit und -unlust verbindet, der irgendwie rührend-heldenhaft „Tortilla- Chips“, der „FC Bayern“, ein „Honda CBR 750“, „geblümte Unterhosen“, „Schindlers Liste, „Helge Schneiders Katzenklo“, und „Protest gegen Nazis“ sinnstiftend entgegengehalten werden, macht doch sehr traurig irgendwie. Zumal diese sinnverlassene Jugend auch noch gesiezt wird und nebendran zu allem Überfluß auch noch für die CD „No Alternative“ geworben wird. Detlef Kuhlbrodt