Die Banken sind im Schneider

■ Immobilienfirma Schneider meldet Konkurs an / Banken wollen einzelne Projekte fortführen

Berlin/Frankfurt (taz/AP) – Die von ihrem Chef verlassene Geschäftsführung der Immobiliengruppe „Dr. Jürgen Schneider AG“ hat gestern beim Amtsgericht Königstein Konkurs wegen Zahlungsunfähigkeit angemeldet. Damit fand die spektakuläre Milliardenpleite des seit knapp einer Woche abgetauchten Immobilienhais Jürgen Schneider und seiner Ehefrau einen vorläufigen Höhepunkt. Am Donnerstag abend hatten die Vertreter von 40 Gläubigerbanken zunächst darauf verzichtet, die Schneiderschen Bauobjekte zu verkaufen, um einen Zusammenbruch der regionalen Immobilienmärkte in Frankfurt, München, Wiesbaden, Hamburg und Leipzig zu verhindern.

Gleichzeitig vereinbarten Banken und der Restvorstand der Firmen, eine Koordinierungsgruppe einzurichten, um für Einzelobjekte und Objektgruppen wirtschaftlich sinnvolle Lösungen zu finden. „Wir sind derzeit im Stadium der Bestandsaufnahme, weil nach dem Abgang des Chefs von den zurückgebliebenen Mitarbeitern niemand einen genauen Überblick hat“, sagte Deutsche-Bank-Sprecher Walter Schumacher.

Das erste Ziel sei nun, so die Schneider- Gruppe gestern in einer Pressemitteilung, der Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze und die Schadensbegrenzung für Banken, Handwerker und Lieferanten. Die Kreditinstitute bezifferten die Bankschulden der Gruppe für die 75 Bauprojekte auf rund fünf Milliarden Mark, die allerdings überwiegend pfandrechtlich abgesichert seien. Hinzu kämen noch offene Lieferanten- und Handwerkerrechnungen in der Größenordnung von 250 Millionen Mark.

Die Gläubiger der Schneider AG haben jetzt bis Ende Mai 1994 Zeit, ihre Forderungen anzumelden. Nach Angaben des Amtsgerichts Königstein ist für den 17. Mai eine erste Gläubigerversammlung geplant. Noch gestern versuchte der zum Konkursverwalter bestellte Frankfurter Rechtsanwalt Bernhard Hembach, sich in den Geschäftsräumen der Firma einen Überblick zu verschaffen.

Das Justizministerium wies gestern darauf hin, daß durch die Reform des Insolvenzrechts die Sanierungschancen für zahlungsunfähige Unternehmen im Interesse der Gläubiger verbessert würden. Insgesamt könnten die Ansprüche von mehr Gläubigern befriedigt werden, sagte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger. Bei den Handwerkskammern in Leipzig und Frankfurt haben sich bis Freitag über 100 Betriebe gemeldet, um sich über die nächsten Schritte zu informieren.

Der hessische Wirtschaftsminister Lothar Klemm sagte Kreditbürgschaften der Landesregierung zu, um Bauunternehmern ihr Geld zu garantieren. Die Banken, die mit ihren Kreditlinien gegenüber Schneider sehr großzügig gewesen seien, müßten nun in Not geratenen Handwerksbetrieben Sonderkonditionen einräumen.

Bereits am Donnerstag mittag hatte die Staatsanwaltschaft Frankfurt auf eine Betrugsanzeige der Deutschen Bank hin ein Ermittlungsverfahren gegen Schneider eingeleitet. Nach Angaben einer Sprecherin erwartet die Staatsanwaltschaft nunmehr weitere Anzeigen von Gläubigern. Über den Aufenthaltsort von Schneider und seiner Ehefrau gebe es „keine neuen Erkenntnisse“. Bis Redaktionsschluß wurde der abgetauchte Immobilienhai allerdings noch nicht per Haftbefehl gesucht. Die Deutsche Bank, so Schumacher, habe zwar ein großes Interesse daran, Schneider zu finden. Dennoch habe sie keinen Privatdetektiv beauftragt. Das sei, so die Auffassung des Banksprechers, „Aufgabe der öffentlichen Stellen“. dri

Tagesthema Seite 3