Sprengstoffspuren im Auto des V-Mannes

■ Neue Indizien für eine Beteiligung des V-Mannes Steinmetz am RAF-Anschlag in Weiterstadt / Ermittelt wird aber gegen Unbekannt

Berlin (taz) – So kurz die Mitteilung der Bundesanwaltschaft am späten Donnerstagnachmittag auch war, ihr könnte explosive Bedeutung zukommen. Bei der kriminaltechnischen Untersuchung zweier Fahrzeuge, erklärte die Karlsruher Behörde lapidar auf zehn Zeilen, wurden „in dem Pkw Spuren entdeckt, die auf eine Verwendung dieses Pkw bei terroristischen Straftaten hindeuten können“.

Brisant ist die Nachricht, weil beide Fahrzeuge, ein Motorrad und ein Pkw, auf einen Mann namens Klaus Steinmetz zugelassen waren und mit terroristischen Aktionen Anschläge und Attentate der RAF gemeint sind. Zugelassen waren die Fahrzeuge auf eben jenen Mann, der nicht nur ein V-Mann des Verfassungsschutzes in Rheinland-Pfalz war, der als Briefträger zwischen RAF und Szene fungierte, sondern der vor allem dadurch bekannt wurde, daß er die Behörden zu einem seiner Treffen mit Aktiven der RAF führte und damit am 27. Juni vergangenen Jahres den Auslöser für die katastrophale GSG-9-Aktion in Bad Kleinen lieferte.

Wenn die Bundesanwaltschaft nun wegen der Mitgliedschaft in der RAF und der „Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion“ ermittelt, läßt sich der Verdacht nicht von der Hand weisen, daß der V-Mann selbst an Anschlägen der RAF beteiligt gewesen sein könnte. Ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen den V-Mann ist aber im Februar von der Bundesanwaltschaft eingestellt worden – obwohl das BKA in einem internen Gutachten die Auffassung vertrat, Steinmetz sei weitaus enger in die Strukturen der RAF eingebunden gewesen, als dieser nach Bad Kleinen gegenüber den Behörden offenbarte.

Erstaunlich ist darüber hinaus, daß die Bundesanwaltschaft im neuen Verfahren „gegen Unbekannt“ und nicht gegen den Halter der Fahrzeuge ermittelt – und das obwohl der Verdacht keineswegs ausgeräumt ist, Steinmetz könnte vom Anschlag auf den Gefängnisneubau in Weiterstadt am 27. März 1993 vorab unterrichtet, wenn nicht sogar daran beteiligt gewesen sein.

Die RAF hat diese Spekulationen in einer schriftlichen Erklärung zwar vor wenigen Wochen dementiert, Steinmetz selber hatte in einer seiner ersten Aussagen nach Bad Kleinen aber erklärt, via Kassiber gefragt worden zu sein, was er denn von einem derartigen Anschlag halte. Steinmetz hat diese Aussage zwar später zurückgenommen und als Erklärung angeboten, er habe die Geschichte erfunden, um den Beamten darzutun, „welch großes Vertrauen ich in der Szene genossen habe“.

Daß das in Steinmetz gesetzte Vertrauen möglicherweise real und doch nicht erfunden war, legt der Tip eines Insiders aus dem Bundeskriminalamt nahe. Der Mann ließ die taz wissen, daß bei der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Steinmetz kräftig gekungelt wurde. Zum Zeitpunkt der Einstellung des Verfahrens soll das Ergebnis der kriminaltechnischen Untersuchung des Pkw, dessen Fund anfang Februar erst jetzt bekanntgegeben wurde, noch ausgestanden haben. Mittlerweile ist das Ergebnis bekannt. Laut BKA- Insider wurden in dem Fahrzeug Sprengstoffrückstände gefunden – und zwar jenes Sprengstoffs, der bei dem Anschlag in Weiterstadt benutzt wurde.

Der Vorsitzende im Innenausschuß des Bundestages, Hans Gottfried Bernrath (SPD), fand gestern auf Anfrage die Diskrepanz zwischen der seinerzeitigen Einstellung und der jetzigen Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens „höchst merkwürdig“. Der Vorgang wird nun am kommenden Mittwoch den Innenausschuß beschäftigen. Dann wird die Bundesanwaltschaft wohl auch erklären müssen, wieso es mehr als sechs Monate brauchte, bis die Fahrzeuge von Steinmetz untersucht wurden. Wolfgang Gast