Einstieg in ein besseres Leben

■ Modellprojekt für Ex-Prostituierte in Gefahr Von Sannah Koch

Schon nach fünf Monaten ist das Regal bis obenhin voll: Kissen, in jeder Form und Farbe, in Patchwork, mit und ohne Rüschen und Schleifen, stapeln sich fast bis unter die Decke. An Kleiderständern hängen die ersten komplizierteren Ergebnisse der halbjährigen Lehrzeit – Frauen-Pyjamas in glänzendem Satin. Produkte, die für die Mitarbeiterinnen der Textilwerkstatt in Altona eine besondere Bedeutung haben. Früher haben sie jahrelang ihren Körper verkauft, jetzt wollen sie hier den Einstieg in ein anderes Arbeitsleben wagen.

„Unser Projekt ist einmalig in der Bundesrepublik“, betont die Leiterin, Ruthild Wunderlich, stolz – eine Modelleinrichtung für Frauen, die aus der Prostitution aussteigen wollen. Zwischen 25 und 44 Jahre alt sind die sechs Frauen – drei von ihnen haben auf dem Strich gearbeitet, um ihre Drogensucht zu finanzieren und sind jetzt im Substitutionsprogramm. Die anderen hatten „schlicht die Schnauze voll von dem Job“. Fast alle haben auch eine jahrelange Karriere als Erwerbslose hinter sich.

Die Textilwerkstatt ist ein Projekt der Mitternachtsmission, die, vom Diakonischen Werk finanziert, bereits seit 20 Jahren in St. Pauli eine Beratungsstelle mit Café für Huren betreibt. Hier entstand auch die Idee für das Arbeitsprojekt. „Eigentlich hatten die Frauen von einem Second-Hand-Laden geträumt, in dem sie auch Näh- und Ausbesserungsarbeiten machen wollten“, erzählt Ruthild Wunderlich. Weil sie aber auf ABM-Mittel vom Arbeitsamt angewiesen war und damit keinen Gewinn erwirtschaften darf, wurde aus dem Laden schließlich eine Nähwerkstatt.

An Taschen, Kissen und Gardinen haben die Frauen seit Herbst 1993 von der Schneiderin die Grundtechniken an der Nähmaschine vermittelt bekommen, jetzt geht's mit Frauenbekleidung weiter. „Alle haben unglaublich schnell und mit Ehrgeiz gelernt“, so Wunderlich. Aufträge darf die Werkstatt leider nur von gemeinnützigen Vereinen annehmen. Langfristig soll sich das nach dem Wunsch der Projektleiterin ändern – doch da steht noch ein Berg Arbeit vor. Denn die Werkstatt ist bislang nur bis zum Herbst abgesichert, dann laufen die Finanzierung der Schneiderinnen-Stelle durch das Diakonische Werk sowie die AB-Maßnahmen aus. „Wir möchten eine feste Finanzierung der drei Anleiterinnen durch die Stadt“, so Wunderlich. Auch soll die Bezahlung der Frauen langfristig aus dem Topf „Arbeit statt Sozialhilfe“ kommen. Dann könnte die Werkstatt endlich die Werbetrommel rühren und sechs weiteren Frauen einen Arbeitsplatz bieten. Im Moment besitzt sie außer Enthusiasmus fast nichts – sogar die Nähmaschinen sind nur Leihgabe des benachbarten Frauenprojekts.

Sach- und Geldspenden (gegen Spendenbescheinigung) sind erwünscht und erforderlich. Tel: 38 33 47)