piwik no script img

Mit Anti-Fußpilzmittel zum Erfolg

■ Aus dem Volleyball-Hauptquartier in Leverkusen machte Pharmakonzern Bayer wegen der größeren Nachfrage in Wuppertal ein meisterhaftes Töchterchen

Wuppertal (taz) – Da haben die Marktforscher im Leverkusener Bayer-Konzern ihr Tagewerk gewissenhaft verrichtet. Als die Verkaufszahlen des Produkts Erstliga- Volleyball kontinuierlich sanken, war ein Standortwechsel als Ergebnis der Rentabilitätsstudien angesagt. 1991 guckte sich das Pharma-Unternehmen sein Wuppertaler Töchterchen aus und fand dortselbst eine ungekannte Nachfrage nach dem bisher nicht so ganz beliebten Artikel Volleyball nebst vortrefflicher Infrastruktur.

Die Apologeten der Sport-Ökonomie tauschten die Lizenz mit dem bergischen Schmetterschlag- Ensemble. Statt Kopfschmerztabletten wird ein Anti-Fußpilzmittelchen auf den Trikots angepriesen und siehe da: Zu großer Zuschauerresonanz gesellen sich mit einem Mal Erfolge.

In den vergangenen beiden Saisons stand Bayer Wuppertal im Finale der deutschen Meisterschaft und in diesem Jahr unterlagen sie im Spiel um Platz drei des CEV- Pokals den Friedrichshafener Spitzenverdienern. Die gleichen Herren standen sich auch am Samstag im Bundesliga-Finale gegenüber. Und diesmal mußte die mit sechs Nationalspielern hochkarätig besetzte Mannschaft vom Bodensee die bittere Erfahrung von der Unkäuflichkeit sportlicher Erfolge machen. Die Dreisatz-Abfuhr in der vierten Partie des Meisterschafts-Play-offs in der ausverkauften Wuppertaler Uni-Halle sorgte denn auch für ein Klima der Verdrießlichkeit.

Marian Kardas hatte besonderen Grund zur Frustration: Vor Saisonbeginn von Wuppertal nach Friedrichshafen umgezogen, stand er jetzt zum dritten Mal in Folge im Finale – und schaffte den etwas unpopulären Vizemeister-Hattrick. Volleyball-Fossil Burkhard Sude – der 36jährige konnte im zweiten Satz vor Müdigkeit kaum noch den Arm heben und wurde ausgetauscht – gratulierte den Siegern gentlemanlike und zog sich fortan aufs Volleyball-Rententeil zurück, um künftig als Bundestrainer Beach-Volleyball zu agieren. Frank Stutzke benahm sich weniger gönnerhaft. Vor seiner lukrativen Montpellier-Zeit ein Leverkusener, mißgönnte er seinen ehemaligen Kollegen den Titel: „Es ist mir scheißegal, wer deutscher Meister geworden ist. Wir hätten es schaffen können.“

Statt Vulgarismen breites Grinsen bei den Wuppertalern: Die Studententruppe, einzige Ausnahme ist Bankkaufmann Olaf Becker, erkämpfte sich jeden Punkt und bewies völlig branchenübergreifend herbergersche Tugenden. Die sechs Freunde (und die Kumpels von der Auswechselbank) hatten ihre „Nervosität nach der Niederlage in Friedrichshafen in Aggressivität umgesetzt“, bilanzierte der einzige Bayer-Nationalspieler, Wolfgang Kuck. Wohl war, sie trieben die Gäste mit wie in Trance verwandelten Schmetterschlägen und einem sicheren Block zur Resignation. Überschäumende Freude dann knapp eineinhalb Stunden nach der ersten Angabe: Zum freudetrunkenen und lautstarken Gegröl ihrer Fans veranstalteten die Wuppertaler eine Sektdusche; selbst der gewöhnlich so cool-analytische Co-Trainer Stefan Mau gab sich betont locker und füllte bei der Pressekonferenz ein Flaschbier nach dem anderen in den theorielastigen Schädel.

Artiges Bedanken beim frenetischen Publikum („das war Länderspielatmosphäre“), Gratulation an das Team und an sich selbst für clevere taktische Maßnahmen. Denn im Vorfeld hatten Kritiker moniert, Bayer sei zu leicht auszurechnen, weil Jens Larsen im Angriff oftmals eine One-man-Show geboten hatte. „Wir haben es allen Skeptikern bewiesen“, jubelte der Däne hernach. Von vorneherein selbstbewußt war Mannschaftskapitän Wolfgang Kuck: „Ich habe gewußt, daß wir es diesmal schaffen.“ Markus Götting

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen