■ Press-Schlag
: Böses Erwachen

Einschlafstörungen. Abgründe. „Die Utopie stirbt stückchenweise“, hatte der Stuttgarter Kollege die Abgesänge eröffnet, „mit jeder Niederlage des SC Freiburg.“ Wer also? Einfach nur „eine tolle Mannschaft“ (Bernd Schuster)? Die Vertreter eines „wunderbaren Fußballs“ (Stepanovic)? Boulevardeske „Breisgau-Brasilianer“, „spielwütige Steptänzer“ (Süddeutsche), „Freiburg, wo das Anderssein zum Programm gehört“ (Spiegel)? Das Team, das blasphemisch das Effizienzprinzip der Liga „mit viel Gefühl, viel Leidenschaft, und zwischendrin immer mal wieder was Schlaues machen“ (Trainer Finke) umdribbeln wollte? Die Zusammenkunft von Kicksport und Lebensgefühl im „Vergnügungspark Dreisamstadion“ (Co-Trainer Sarstedt)? Kurz: „Die Heimstatt des Antizyklischen“ (Helmut Böttiger) im deutschen Bundesligakick? Aufhören! Gnade! Schluß mit dem Quatsch! Schwätzer! Die Schiris warn'n an allem schuld: „Wir sind nur ein kleiner Verein, aber wir hängen auch mit dem Herz an der Sache, und wenn sie uns rauspfeifen wollen, dann sollen sie's gleich sagen.“ (Trainer Finke nach dem Bremen- Spiel). Konfuse Gewaltphantasien im Halbschlaf. Kommandoerklärung an die Presse und das Headquarter des Schweinesystems, die Frankfurter DFB-Zentrale: „Wir haben noch am Freitag Dresdens Präsident Jürgen Otto entführt. Sollte Freiburg ab- und Bayer Uerdingen aufsteigen, werden wir Otto ohne Rücksicht auf Bayer-Diät setzen. 20 Kilo in drei Wochen. Kommando Bernhard Grzimek.“ Schlaf, endlich Schlaf: Letzter Spieltag, MSV Duisburg – SC Freiburg. Die Freiburger laufen, jubelnd begrüßt, ein und vor die Ehrentribüne. Dort thront in langem Gewand und mit dem Lorbeerkranz ums Haupt DFB-Präsident Egidius Braun. Der Jubel bricht ab. Über den Stadionlautsprecher die Stimme von Kapitän Spies: „Salve Egidius, morituri te salutant.“ Das Spiel. In der Halbzeit verlesen Reporter von Spiegel, Süddeutscher und Stuttgarter Zeitung, Frankfurter Rundschau, Tempo und taz SC-Artikel als Solidaritätserklärung. Schlußpfiff. „Schenk ihnen das Leben, Egidius“-Sprechchöre im Stadion. Unten auf dem Platz stellt Sat.1-Mann Johannes B. Kerner das eigens ins Leben gerufene „Super-Sympathie-Spiel“ vor. Deutschlands Fans entscheiden mit: Wollen Sie, daß diese Mannschaft in die zweite Liga muß? Auf der Anzeigentafel gehen die Ted-Zahlen ein. Eine Sympathie-Woge für den Sport- Club. Zuhause weint Präsident Stocker einsam vor dem Bildschirmtext. Egidius Braun erhebt sich. Der Daumen – ein Schrei des Entsetzens im Stadion – nach unten. Ein böser Summton auf Kerners Tonleitung. Aufschrecken. Der Wecker. Scheiße. Der taz-Beitrag zum Dresden-Spiel. Abgabe in einer Stunde. Was erwarten die eigentlich von einem, an so einem Tag. Ulrich Fuchs