■ Scheibengericht
: Bolschewistische Kurkapelle

Werke (D.D.R.-Plattenmeister/ EFA)

Kampf- und Liebeslieder zum zweiten: Die Bolschewistische Kurkapelle gehört zur Sozialisation jedes auch nur halbwegs gebildeten Ostlers um die dreißig. 1986 gründete man sich, natürlich, in einem Hinterhof in Prenzlauer Berg, um „die radikale Bürokratisierung, Disziplinierung und Kollektivierung der Blaswirtschaft und einen Personenkult, der sich gewaschen hat“, in die Wege zu leiten. Blasnost eben. Der Begriff Kurkapelle ist dabei ungeheuer wichtig. Schließlich liegt in jedem ein heimlicher Hang zum Volkstümlich- Traditionellen verborgen, fragt sich nur, wie er ausgelebt wird. Hier also die Klassenkampf-Variante: Anarchoschwarz kommt das Cover, kommunistenrot die Scheibe daher. Das Booklet verzeichnet die Anleihen, die, nicht zu knapp, beim proletarischen Erbe genommen wurden. Dies zu Recht und auch gleich sehr wirkungsvoll, denn Brecht, Bertolt ist immerhin „ein prima Dichter“, Trotzki, Leo „ein prima Trotzkist“ und Eisler, Hanns „ein prima Komponist“.

Gerade Eisler wird besonders ausgiebig gewürdigt, unter anderem in „Lob des Lernens“ und „Der Graben“. Zu maoistischen Melodien paßt ein „Linker Marsch– mit Abweichungen“, zum flotten Medley aus DDR- Schlagern („Heißer Sommer“) Friedrich Hollaenders „Fidschi-Inseln“. Die Bolschewistische Kurkapelle ist ein Spielmannszug, der die Geschichte ziemlich schaurig beerbt: kühne Instrumentierung, verschleppte oder beschleunigte Tempi, verzerrte Rhythmen (wunderbar: „Kasakka“). Flake und Paul Landers von Feeling B leisten solidarische Zertrümmerhilfe an Casio und Gitarre. Blixa Bargeld darf sich bei „Ich wollte Bauer werden“ gern ein bißchen verarscht fühlen. Hier zeigt sich eindrucksvoll, wie nah Avantgarde und Satire doch beieinanderliegen.

Hätte man das nur früher eingesehen – der Sozialismus wäre gesund, munter und siegreich! So aber bleiben einem nur ein fortinterpretiertes erstes Leben, das „Lied vom Berge Kumgan-San“, frei nach Themen aus nordkoreanischen Revolutionsopern, und die von Steve Binetti in Hendrix-Manier verhackstückte „Hymne der SU“. Jimi Hendrix ist „unter Umständen mindestens eben fast genauso“ wichtig wie Hanns Eisler, findet der kultgebeutelte Jürgen Kuttner, Radiomoderator und Ansager der ebenso kultgebeutelten Bolschewistischen Kurkapelle. Die jedenfalls ist trotz alledem eine prima Blaskapelle, behaupten wir. Ihr müßt die Führung übernehmen!