Unterm Strich

Det ham wa jern: Erst wider den Stachel löcken, und dann reicht's doch nur zum Blöken der Lämmer. So geschehen am letzten Donnerstag, wo die gute alte Tante Zeit, sonst angelegentlich durchaus die Wochenschrift unserer Wahl (bevorzugt zum 5-Uhr-Tee, der für uns alle hier eine liebgewonnene Sitte ist), sich in beißender Satire auf unseren Kurt-Cobain-Nachruf vom Montag versuchte. Na, die Satire darf ja alles, wie immer wieder betont wird, und es wäre (gähn!) schon alles okay mit uns gegangen, hätten unsere ungläubigen Augen nicht unter „Modernes Leben“ in derselben Ausgabe einen Nachruf auf, na, wen wohl? – richtig, Kurt Cobain! lesen müssen, in dem es u.a. heißt, Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ habe „mit verzweifeltem Eklektizismus gegen Paralyse und Sinnvernichtung“ angekämpft. Es kommt aber noch besser: „Im Fundament des Songs mahlen die verzerrten Riffs des Grunges, doch darüber zittert ein kristallklarer Gitarrenton, der den kompromißlosen Bruitismus des Rhythmusgerüstes ironisch konterkariert.“ Tja, rerum cognoscere causas können wir da nur mit dem schönen Motto des Berliner Tagesspiegel sagen, den wir auch sehr gerne lesen – bevor wir die ersten Drogen nehmen.

Auf unseren gut-kompostierten Kulturseiten am letzten Mittwoch war neben einer neuartigen Technologie zur Schnellverwesung auch von Nützlingen, Schädlingen und ähnlichem die Rede. Keine besondere Erwähnung fanden dabei die Unterarten Parasiten, Schmarotzer und Blutsauger; die denkt man in diesen Zusammenhängen für gewöhnlich automatisch mit. Und so hat es uns eigentlich auch mehr gefreut als gewundert, daß die FAZ in einem neuartigen Tempo der Schnellverwertung unser Schnellverwesungsthema unter dem Titel „Im Turbo-Grab“ bereits am Freitag ebenfalls auf ihren Feuilletonseiten hatte. Daß sie so taten, als sei ihnen die Nachricht gerade brandheiß aus dem Ticker geraucht, ist ein eindeutiger Hinweis auf parasitäre Systemzusammenhänge.

Und wo wir gerade so schön in Schwung sind: Am letzten Mittwoch stand auf den „Geisteswissenschaften“-Seiten derselben Zeitung eine jener hochgeschätzten philosophischen Glossen des Kollegen Henning Ritter, in der es um Kontakte zwischen Siegfried Kracauer und dem Kunsthistoriker Erwin Panofsky ging. Walter Benjamins „Reproduktions“- Aufsatz wurde da mit seiner konträren Einschätzung des Films in den Zusammenhang der Diskussion von Panofsky und Kracauer gerückt – als wär's eins jener verbrieften Stückchen Geistesgeschichte, über die Herr Ritter so souverän verfügt. Der Zusammenhang von Benjamins Aura-Begriff mit Panofskys Filmstudie wurde aber, wie unsere Leser wissen, zuerst (und erstmals!) in der taz hergestellt, im Essay von Stephan Wackwitz am 26. März. Tja, Werk und Wirkung!