Mit dem Öltanker durchs Wattenmeer

■ Das Bundesverkehrsministerium öffnet einen Kanal durch den Nationalpark Wattenmeer für Binnenschiffe / UmweltschützerInnen protestieren

Bremen (taz) – Im Wattenmeer vor der deutschen Nordseeküste steigt die Gefahr einer Ölpest beträchtlich: Das Bundesverkehrsministeriums hat beschlossen, daß ab Herbst Öltanker zwischen Jade- und Wesermündung verkehren dürfen – direkt durch den niedersächsischen Nationalpark Wattenmeer. Was das Bonner Ministerium als „Erleichterung des Verkehrs für die Binnenschiffer“ verkauft und die am stärksten davon profitierende Wilhelmshavener Raffinerie Beta-Oil gar als „ökologische Maßnahme“ bezeichnet, läßt Naturschützern an der Küste die Haare zu Berge stehen.

Möglich werden die Pläne durch einen Geburtsfehler des 1986 errichteten Naturparks, der von der Unesco als einmaliges „Biosphärenreservat“ anerkannt wurde. Quer durch das Gebiet, das man nicht mit Gummistiefeln betreten darf, verläuft nämlich eine Bundeswasserstraße. Die „Kaiserbalje“ ist ein Kanal, der bei Flut zu befahren ist und bei Ebbe trockenfällt.

Bisher schippern dort Sportboote und vereinzelt Binnenschiffer, die für jede Fahrt umständlich eine Genehmigung einholen müssen. Mit dieser Bürokratie soll nun Schluß sein, heißt es vom Verkehrsministerium in Bonn. Nur noch einmal sollen die Schiffer die Genehmigung beantragen müssen und dann freie Fahrt haben. „Das ist eine Erleichterung für die Schiffer. Mehr Verkehr wird es deshalb nicht geben“, meint Volker Mattern von der Behörde.

Das sehen Umweltschützer und der Geschäftsführer der Raffinerie Beta-Oil allerdings anders. „Es gibt bereits mehrere Kunden, die an einem Transport per Schiff interessiert sind, und es gibt auch Binnentanker, die durch die Kaiserbalje fahren können“, so der Leiter des bedeutenden Arbeitgebers in der strukturschwachen Region, Hans van Weelde. Den Spediteuren erspare die Fahrt durchs Watt einen Umweg von 60 Kilometern und das Umladen von Hochseeschiffen auf Binnenschiffe. Und die Binnenwasserstraßen brauche Beta-Oil, um wie geplant verstärkt den (ost)deutschen Markt zu beliefern. „Diese Maßnahme ist grüner als grün“, meint van Weelde, „denn wir verlagern den Transport von der Straße aufs Binnenschiff.“

Die Umweltschützer aber warnen vor der Störung der Tierwelt durch verstärkten Verkehr und vor der Gefahr einer Ölpest im Watt. „Die Kaiserbalje ist höchstens zwei Stunden am Tag zu befahren, danach passen Schiffe mit 1,50 Meter Tiefgang nicht mehr durch“, so Holger Wesemüller, beim WWF in Bremen zuständig für Küsten und Schiffahrt. „Erfahrene Kapitäne können sich mit ihren Schiffen trockenfallen lassen und auf die Flut warten. Aber wenn dann so ein Tanker auseinanderbricht, ist die Ölpest da.“

Als nächste Maßnahme befürchten die Umweltverbände die Vertiefung der Fahrrinne, obwohl das bisher von allen Seiten bestritten wird. Immerhin hat auf Betreiben von Wilhelmshavener Schiffahrtsunternehmen die Wasser- und Schiffahrtsdirektion (WSD) Aurich in Bonn den Antrag auf die Erleichterungen gestellt – dieselbe WSD, die sich bei der Vertiefung der Ems für die Meyer-Werft in Papenburg resistent gegenüber ökologischen Bedenken gezeigt hat.

Im Umweltministerium in Hannover zuckt man die Schultern. „Bei Bundeswasserstraßen ist nichts zu machen“, meint die Sprecherin Eva-Maria Rexing. Aber einem Antrag auf Vertiefung, der die niedersächsische Zustimmung benötigt, werde man kein Ja geben. Das ist womöglich auch nicht notwendig, denn die Umweltverbände befürchten, daß der Sog der Schrauben den Schiffen von selbst einen tieferen Kanal ins Watt fräst.

Die Naturschützer hoffen nun auf politischen Druck sowohl in Bonn als auch in Hannover und vor allem auf die Standhaftigkeit der niedersächsischen Landesregierung gegenüber dem Argument angeblicher Arbeitsplatzsicherung, mit dem bereits die Emsvertiefung durchgesetzt wurde. Bernhard Pötter