Kein Votum für „Fem P“

■ Nachlese nach dem Frauenstreiktag: Feministische Partei wird nicht gewollt

Kassel (taz) – Während im Foyer der Kasseler Gesamthochschule am Samstag mittag schon um den Namen gestritten wurde, klärten sich im Saal die vorläufigen Mehrheiten per Meinungsbild. Eine feministische Partei, heiße sie nun „Fem P“ oder anderswie, wird es in absehbarer Zeit nicht geben. Über 100 Delegierte der Streikkomitees aus Groß- und Kleinstädten hatten sich versammelt, um Aktionen, Demonstrationen, echte und symbolische Streiks vom 8. März 1994 „nachzubereiten“. Das bundesweite Frauentreffen wollte außerdem dem Bedürfnis nach mehr organisierter Gemeinsamkeit Rechnung tragen, das im Vorfeld des Streiktages bei vielen Frauen entstanden war. „Wir waren lange nicht so viele“, „Wir sind stark“ und „Die Gelegenheit war noch nie so günstig“, war die fast einhellige Meinung von autonomen bis zu Gewerkschaftsfrauen.

Die Diskussionsgrundlage allerdings war dürftig. Jutta Oesterle- Schwerin hatte in einer zweiseitigen Vorlage gegen die „irrationale Abstinenz“ gegenüber einer Parteigründung votiert, aber eine „Abneigung“ bei „wichtigen Teilen der Frauenbewegung“ vorausgesehen. Als Alternative schlug sie einen starken Verband vor und rechnete auch gleich einen Monatsbeitrag von 20 Mark aus.

In der Diskussion darüber drittelten sich die Frauen in Befürworterinnen von Netzwerk, Verband und Partei. „Das ist hier wie ein Wunschkonzert der Optionen“, sagte eine. Daß allerdings für jede davon Geld vonnöten sei, war von pragmatischer Unumstrittenheit. Vielen kam die Strukturdebatte „zu früh“. Andere gaben zu verstehen, daß sie das „breite Bündnis“ zum 8. März sehr geschätzt hätten, aber nicht bereit seien, ihre jeweiligen Organisationen zu verlassen. Diese unübersehbaren, auch weltanschaulichen, Differenzen, ahnte eine Frau, seien der Grund, warum es so schwer sei, sich über Inhalte eines wie auch immer gearteten Bündnisses auseinanderzusetzen: „Die politische Analyse des 8. März fehlt, deshalb ist es sinnlos, über Organisation zu reden.“

Darüber, daß der Frauenstreiktag von Kap Arkona bis zur Zugspitze mit der Beteiligung von einer runden Million Frauen ein Erfolg war, bestand heitere Einmütigkeit. Eher belustigt nahmen die Frauen ihren internen Generationskonflikt zur Kenntnis. Diejenigen, die den Schwung einer „neuen Frauenbewegung“ sehr schnell nutzen wollten, waren meist ältere, gestandene Feministinnen. „Wir kämpfen schon seit 200 Jahren“, sagte eine und erntete herzliches Gelächter. Die Jüngeren befürworteten ausgiebige Diskussion und lockeres Netzwerk: „In die Frauenbewegung kann man nicht eintreten.“ Heide Platen