Tauziehen um Flotte

■ Rußland und die Ukraine streiten trotz jüngster Vereinbarung weiter

Moskau/Kiew (dpa/taz) – Das Tauziehen zwischen Rußland und der Ukraine um die Aufteilung der Schwarzmeerflotte geht weiter. Einen Tag nach der grundsätzlichen Einigung erklärte Wjatscheslaw Kostikow, der Sprecher von Boris Jelzin, die Ukraine habe bereits begonnen, die Übereinkunft einseitig zu interpretieren. Die Präsidenten Rußlands und der Ukraine, Boris Jelzin und Leonid Krawtschuk, hatten am Freitag am Rande des GUS-Gipfeltreffens vereinbart, daß die Ukraine auf die Hälfte der etwa 300 Schiffe Anspruch hat. Davon wolle sie jedoch nur 60 behalten und den Rest an Rußland verkaufen.

Leonid Krawtschuk hatte bei seiner Rückkehr nach Kiew erklärt, Rußland solle nur einen einzigen Marinestützpunkt, wahrscheinlich Sewastopol auf der Krim, zur Pacht bekommen. Die Ukraine erhalte alle Marinestützpunkte entlang ihrer Küste. Der Chef der ukrainischen Nationalbewegung Ruch, Wjatscheslaw Tschornowil, lehnte die Verpachtung Sewastopols jedoch strikt ab. Die Ukraine habe Zeit und die Initiative in den Gesprächen verloren. Krawtschuk hingegen hält die Entscheidung für vernünftig und sagte, die Ukraine erhalte „so viele Schiffe und Teile der Infrastruktur, wie es ihre militärisch-strategischen Ziele und ihre Verteidigungsdoktrin erfordern“.

Die Schwarzmeerflotte, Gegengewicht zur 6. US-Flotte im Mittelmeer, war seit dem Zerfall der Sowjetunion umstritten. Im Juni 1992 hatten sich Rußland und die Ukraine auf eine zeitweise gemeinsame Verwaltung geeinigt. Im September 1993 stimmte die Ukraine zu, ihren Teil der Flotte gegen einen Schuldenerlaß für russische Energielieferungen abzutreten. Doch auch dieser Grundsatzentscheid wurde nicht umgesetzt. In den vergangenen Wochen hatte sich der Konflikt verschärft, weil die Befehlsgewalt zwischen rußlandtreuen und ukrainischen Offizieren umstritten war. Die am Freitag vereinbarte Regelung ist für die Ukraine vorteilhaft. Eine nächste Gesprächsrunde sollte am 22. April stattfinden.