Wild, cool, lieblich, dreckig, gerecht

■ 12 Stunden bremischer Jazz auf dem „MIBnight Jazz Festival“

Eine bessere Einweihung hätte es kaum geben können: die „MusikerInnen Initiative Bremen“ zeigte in ihrem neuen Domizil am Buntentorsteinweg an drei Abenden die große Bandbreite der Bremer Jazz-Szene.

Nicht weniger als neun „Bandprojekte“ von „Kulturschaffenden außerhalb der Vermarktungsindustrien“ (so das Selbstverständnis der MIB in der Sprache der MIB) stellten zwischen klassischem Bebop und avantgardistischen Klangfeldern fast jede Spielart des zeitgenössischen Jazz vor.

Mit etwa 50 Sitzplätzen ist der Veranstaltungsraum genau richtig für diese Musiken mit einem doch eher begrenzten Publikum. An den drei Abenden mußte man bei einigen „Top Acts“ schon sehr eng stehen, aber Sonntag nacht saßen nur noch etwa 20 Zuhörer vor der Bühne.

Oft entstand ein spannender Kontrast zwischen den aufeinander folgenden Gruppen. Etwa am Samstag abend, als auf den sehr liebevoll nachempfundenen Cooljazz der Gruppe „Cool Position“ mit Dierk Bruns, der sein Baritonsaxophon im Stil von Gerry Mulligan schnurren ließ, das CHW–Trio alle Harmonien und Formen zertrümmerte und mit großem Ehrgeiz versuchte, auf Posaune, E–Gitarre und Schlagzeug auch nicht einen einzigen konventionellen Ton zu spielen.

Oder am Sonntag abend: Da folgte auf den Freejazz des „HCL–Workshop Ensemble“, der, wie der Name schon vermuten ließ, den Zuhörern sehr viel Aufmerksamkeit abverlangte, ein sehr eingängiger „easy listening“ Mainstream von dem Quintett „Motion“.

Neben solidem, aber halt doch schon recht angegrautem Fusion Jazz von „Klaus Fey & 5 Secrets“ gab es verspielt skurrile Songmutationen vom Quartett „Lemon Cake“, und als Höhepunkt spielte Samstag nacht die Band „Swim Two Birds“ ihre wilde, dreckige Mischung aus Fake Jazz, Lyrik und Bläsersätzen.

Wohl kaum einer mochte durchgängig all den Jazz, der an diesen drei Abenden gespielt wurde, und gut 12 Stunden Livemusik war auch für den abgehärtetsten Konzertgänger etwas zu viel des Guten. Aber dieses Festival gab einen Überblick auf die überraschend reichhaltige Bremer Jazz-Szene, der einem so komprimiert in nächster Zeit wohl nicht mehr geboten wird. Willy Taub