Skrip, Klezmerl, skripe!

■ Warum die Bremer Klezmerband „Mechaye“ sich der jiddischen Musik verschrieben hat / Morgen im Kino 46

Das erste Mal spielte die Bremer Klezmerband Mechaye, wie es sich gehört, auf einer Hochzeit auf.„Eine Hochzeit ohne Klezmer war schlimmer als ein Begräbnis ohne Tränen“, sagte einmal Leopold Kozlowski, der letzte aktive polnische Klezmermusiker. „Skrip, Klezmerl, Skripe“ – Spiel, Klezmerl, spiel – so feuerten einst die Hochzeitsgäste ihre Musikanten an.

Der Klezmer, das ist übersetzt nichts anderes als: der Musikant. In Grüppchen reisten früher die Klezmorim als fahrende Musikusse durch Osteuropa und nahmen hier wie dort Melodien und Rhythmen der landeseigenen Folklore mit: ungarische Volksweisen, russische Tanzlieder, Stücke aus Rumänien, und der Türkei.

„Das alles ist bis heute an der Klezmermusik haften geblieben“, meint Mechaye-Mitglied Ralph Spill. „Und als die Amis in den Siebzigern ihr sogenanntes Klezmer-Revival gestartet haben, mixten sie ja auch noch so einiges an damals aktuellem Swing und Jazz mit rein.“

Zwar haben die Amis dafür gesorgt, daß die Klezmermusik in den letzten Jahren auch hierzulande einen richtigen Boom erlebt hat, wenn jedoch das Mechaye-Quintett zu den Instrumenten greift, dann orientieren sie sich lieber an alten Original-Aufnahmen: „Da ist einfach mehr Feeling dahinter.“ Rund 35 Stücke haben sie inzwischen im Repertoire, und bei jeder gemeinsamen Probe kommen ein paar neue hinzu.

„Jemand hat irgendwo was rausgehört, eine Melodie oder ein Motiv, und schleppt das an. Wir anderen lernen das dann, indem wir uns das gegenseitig vorspielen. Das dauert etwas länger, aber dafür bist du die Notenständer los.“

Mechaye hat so in seinen Arrangements schon einen eigenen Stil entwickelt; nichts ist durchkomponiert, das meiste improvisieren sie einem gemeinsamen harmonischen Gerüst „auf“. Die Band läßt ab und an mal Tango oder Walzer heraushören und zu Kontrabaß und Gitarre die Geige, das Akkordeon und vor allem die „Seele“ der Klezmermusik, die Klarinette, sprechen.

Aber auch jiddische Lieder haben die Bremer Klezmorim wieder ausgegraben. Die Melodien dazu sind beim „Yivo“-Institut in New York zu haben, und Sängerin Marianne Weyh fügt dann Texte aus alten Liederbüchern oder von Plattenaufnahmen hinzu.

Sie, die bereits seit zehn Jahren auf Jiddisch singt, erzählt dann den anderen Bandmitgliedern, worum es geht: daß in „Hungerik dayn Ketzele“ von dem jiddischen Liedermacher Mordechaj Gebirtig ein Vater versucht, seine hungrige Tochter in den Schlaf zu singen. Oder daß das Lied „Friling“ einer Revue des Ghetto-Theaters von Wilna entstammt.

Jedes Lied und jedes Stück hat seine eigene Geschichte, und Mechaye ist es wichtig, diese an ihr Publikum weiterzugeben. Der gerade aufgenommenen Musikkassette haben sie ein Info-Blatt zugefügt, und bei den Auftritten wird ebenfalls nicht einfach kommentarlos drauflos gespielt. „Man hat ja sonst kaum Gelegenheit, etwas über jüdische Kultur zu erfahren. Auch bei uns stand zuerst die Musik im Vordergrund, die wir unbedingt machen wollten“, sagen sie. „Erst anschließend haben wir angefangen, uns intensiver mit der Geschichte des Judentums auseinanderzusetzen.“

Vor ein paar Jahren hat die Vorgängergruppe von Mechaye beim Purim-Fest der Jüdischen Gemeinde in Bremen gespielt. Da wurde ihnen, den „Gojim“ – den Fremden – von den älteren Gemeindemitgliedern doch so einige Skepsis entgegengebracht. Ansonsten aber begegnet ihnen allgemein Freude und Begeisterung darüber, daß sie so aufrichtig engagierte Klezmorim sind. Silvia Plahl

Mechaye spielt morgen abend, 20.30 Uhr, im Kino 46/Waller Heerstr. 46 in der Filmreihe „Klangbilder“ als musikalische Ergänzung zu Yale Stroms Film „Der letzte Klezmer“ über Leopold Kozlowski – sein Leben und seine Musik.