Fast alles beim alten

■ Japans neue Regierung unterscheidet sich kaum von ihrer Vorgängerin

Tokio (taz) – Der politische Nebel, der seit der Rücktrittsankündigung von Premierminister Morihiro Hosokawa vor zehn Tagen über Tokio lag, hat sich gestern gelichtet und den Blick auf eine überraschende Szenerie freigegeben: Mit Ausnahme der Person des Premierministers bleibt in der japanischen Regierung alles beim alten.

Für die Nachfolge von Hosokawa wollten die sieben Koalitionsparteien, die Japan seit acht Monaten regieren, gestern den bisherigen Außenminister Tsutomu Hata von der konservativen Erneuerungspartei nominieren. Heute soll Hatas Nominierung, die in Wirtschaftskreisen bereits großen Anklang findet, von den Vorsitzenden der Koalitionsparteien bestätigt werden. Seine Wahl ist für morgen im Parlament vorgesehen.

Das politische Chaos der letzten Tage hatte schon Spekulationen über einen Regierungswechsel und die Rückkehr einer Rechtsregierung ausgelöst. Doch am Ende war das Gewicht der Sozialdemokraten innerhalb der Koalition groß genug, um die konservativeren Regierungspartner von ihren Plänen für eine neue Koalition mit Teilen der oppositionellen Liberaldemokraten abzuhalten. Nunmehr wollen die sieben Regierungsparteien heute eine neue Koalitionsvereinbarung unterzeichnen, die im wesentlichen den bisherigen Reformkurs fortschreibt. Zentrale Aufgabe der Regierung bleiben die Wirtschaftsreformen, die mit weniger bürokratischen Regelungen Japans Märkte für ausländische Waren weiter als bisher öffnen sollen. Beim strittigen Punkt einer Steuerreform einigte man sich auf eine allerdings noch nicht bezifferte Erhöhung der Mehrwertsteuer, durch die das Staatsdefizit begrenzt und die Renten gesichert werden sollen. Außerdem versprachen die Sozialdemokraten, eventuelle Sanktionen der Vereinten Nationen gegen Nordkorea, wegen dessen angeblichen geheimen Atomplänen, mitzutragen. Bisher hatte sich die Partei gegen den US- amerikanischen Konfrontationskurs gegenüber der nordkoreanischen Führung gewehrt.

Gleichzeitig scheiterten gestern auch die Versuche des einflußreichen Oppositionspolitikers Michio Watanabe, aus der Liberaldemokratischen Partei (LDP) auszubrechen und mit der Unterstützung von einem Teil der Koalitionsparteien für das Amt des Premierministers zu kandidieren. Watanabe, der am Sonntag bereits seinen Austritt aus der LDP verkündet hatte, nahm diese Entscheidung gestern wieder zurück, ohne über sein weiteres Vorgehen zu entscheiden. Der langsame Auflösungsprozeß der einst allmächtigen LDP aber setzte sich gestern scheinbar unaufhaltsam fort. Elf Parlamentsabgeordnete verließen die Partei und kündigten an, sich in den nächsten Tagen der Regierungskoalition anzuschließen. Georg Blume