Verkehrsversuch dritter Klasse beerdigt

■ Versuchswochenenden mit der „Autoarmen Innenstadt“ jetzt endgültig abgeblasen

Das war abzusehen: Am Montagabend wurde von der Ampelkoalition ein politisches Projekt endgültig beerdigt, das schon lange Zeit nur noch in den allerletzten Zuckungen gelegen hat. Der lang diskutierte Modellversuch „Autoarme Innenstadt“ ist für diese Legislaturperiode abgeblasen. In einer Sitzung des Koalitionsausschusses haben sich die Ampelpartner gegen den Kompromiß ausgesprochen, der nach zähen Verhandlungen zwischen Bausenatorin und Handelskammer herausgekommen war. Die 830.000 Mark, die für den Versuch bereuitgestellt worden waren, können nun anderweitig ausgegeben werden – wenn es nach dem Bürgermeister geht für den Straßenbau. Klaus Wedemeier schlug gestern vor, das Geld zum Verfüllen von Schlaglöchern zu verwenden.

In der Koalitionsvereinbarung hatten SPD, Grüne und FDP noch unterschrieben, 1992 einen Modellversuch „Autofreie Innenstadt“ zu veranstalten. Nur lag in diesem Beschluß schon seine Verhinderung. Die Formulierung hieß nämlich „in enger Abstimmung mit dem Einzelhandel“, und das verstand mindestens die Handelskammer und in ihrem Gefolge die FDP als „im Konsens“. Was folgte, das waren zähe Debatten um den anfäglichen Plan, an sechs verkaufsoffenen Samstagen die Innenstadt autofrei zu halten. In diese Zeit fiel die Kampagne der City-Kaufleute „gegen das Baustellenchaos“. Und je schärfer der Ton wurde, „Es staut sich was zusammen, lieber Klaus“, desto geringer wurde der Einfluß derjenigen, die den Modellversuch durchführen wollten, und desto größer wurde die Macht der GegnerInnen. Da war die „Autofreiheit“ schon zur „Autoarmut“ mutiert.

Am Ende war es die Sechsergruppe aus Fraktionschefs, Senatoren und dem Bürgermeister, die den Knoten durchhauen sollte. Vergebens, die FDP hatte sich auf ein klares Nein festgelegt, die SPD mochte es sich nicht mit den Kaufleuten verscherzen und die Grünen standen politisch ohne öffentlichen Druck da. Die Verkehrsinitiativen waren inzwischen entschlummert.

Unterdessen wurde die Verkehrsabteilung im Bauressort immer wieder mit der Formulierung neuer Kompromisse beschäftigt, und die Bausenatorin durfte sich in Verhandlungstaktik üben, wenn es zu denn immergleichen Gesprächen mit den Kaufleuten und der Handelskammer ging. Am Ende stand ein verkehrspolitisches Nullum: An zwei Samstagen, aber keinen verkaufsoffenen, sollte ein paar kleinere Straßen in der City von ein paar parkenden Autos befreit werden. Die Hauptachsen wie die Martinistraße sollten befahrbar bleiben, und die Parkhäuser offen. Ein City-Fest sollte gefeiert werden, mehr nicht.

Damit konnte sich nun neimand mehr anfreunden. Den einen war's immer noch zu viel, den anderen viel zu wenig. „Abschied ohne Tränen“, formulierten die Grünen gestern in einer Presseerklärung. Hinhaltender Widerstand der Handelskammer und Feigheit vieler Politiker hätten der Versuch gekippt, schimpfte der grüne Fraktionssprecher Dieter Mützelburg. „Mehr war nicht drin“, zuckte SPD-Fraktionschef Claus Dittbrenner die Achseln. Aber das Thema sei nicht vom Tisch, daß „die Altstadt autofrei werden muß“. Anlauf in der nächsten Legislaturperiode. Bis dahin bleibt der Rat Mützelburgs: „Wer unbehelligt von Autolärm und -abgasen bummeln und einkaufen will, muß weiter nach Oldenburg fahren.“ J.G.