Mausetot

■ Die Öffentlich-Rechtlichen verdrängen die letzten anspruchsvollen Kindersendungen auf schlechte Sendeplätze

Die einzige Kinder- und Jugend-Fernsehreihe, die sich dem Zusammenleben von Menschen verschiedener Nationen und Kulturen widmet, steht vor dem Aus. Gemeint ist „Karfunkel“ aus der ZDF-Redaktion „Kleine Reihen“. Wenn noch ein Beweis vonnöten wäre, zeigt dies exemplarisch: Kinder- und Ausländerfeindlichkeit liegen hierzulande eng beieinander. Ausgerechnet für eine TV- Reihe, die Ausländerfeindlichkeit bei Kindern entgegenwirken will, die Jugendlichen hilft, sich in ihrer zunehmend feindlichen Umwelt zu orientieren, soll kein Platz mehr sein. Von Programmbeobachtern nahezu unbemerkt, ging das Erste Deutsche Fernsehen im März mit einschneidenden „Reformen“ voran: Das Nachmittagsprogramm wurde von Kindersendungen weitgehend gesäubert, ausgenommen ist nur das Wochenende. Und auch dort verschwanden die festen Sendeplätze. „Wo bleibt ,Die Sendung mit der Maus‘ am Montagnachmittag?“ fragen sich seitdem viele Familien mit kleinen Kindern. Aus die Maus, und nicht nur sie.

Und was die ARD kann, kann das ZDF allemal. Nicht nur „Karfunkel“, alle kleinen Reihen und Sonderprogramme verschwinden, darunter auch die traditionelle Weihnachtsserie. Nur mit Mühe konnte „logo“, die einzige Kinder- Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen, gerettet werden.

Dabei hatten die öffentlich- rechtlichen Sender noch Wochen zuvor mit ihren anspruchsvollen Kinderprogrammen geworben. Und das zu Recht, gibt es doch auf den Kommerzkanälen nichts Vergleichbares. Doch während man auf internationaler Ebene gerne Lorbeeren einheimst und die ARD ihr Kinderprogramm „eene meene mopel“ über das Deutsche Welle Fernsehen in alle Welt sendet, hat man daheim für die gepriesene Sendung nur den schlechtesten Sendeplatz übrig: Samstag morgens um acht Uhr in der Frühe, und das auch nur alle zwei Wochen!

Bekundungen des Bedauerns auf den Lippen, beugen sich die Intendanten von ARD und ZDF der „mangelnden Zuschauerakzeptanz“. Erwachsene ohne kleine Kinder, und das ist schließlich die Mehrheit des hiesigen Fernseh- Quotenviehs, wollten nun mal keine Kindersendungen sehen. „Kinder sind Ruhestörer. Kinder sind Quotenkiller. Fort mit ihnen aus der Prime Time!“ Denn aus dem Vorabendprogramm sind die Kindersendungen schon lange verschwunden, obwohl Untersuchungen belegen, daß gerade in dieser Zeit besonders viele Kinder vor dem Fernseher sitzen.

Die Öffentlich-Rechtlichen haben einen Informations- und Bildungsauftrag. Dafür bezahlen wir Rundfunkgebühren. Gilt dieser Auftrag nicht für Kinder?

Wer ein anspruchsvolles öffentlich-rechtliches Programm sehen will, kann dies nach wie vor. Aber nur über 3sat. Dort finden sich auch die Kinderprogramme, die man unter der Woche bei ARD und ZDF vergeblich sucht. Schön für diejenigen, die verkabelt sind oder eine Schüssel haben. Alle terrestrischen Empfänger dagegen schauen in die Röhre. Für sie gilt der Bildungs- und Informationsauftrag der Öffentlich-Rechtlichen offenbar nur eingeschränkt. Wer Kinder hat, soll für seine Blagen blechen. Sonderabgaben für Familien heißt die Devise. Städte sollen bei den Kosten für Kindergärten und Horte entlastet werden. Ganz in diesem Geiste erwogen auch ARD und ZDF, ein öffentlich-rechtliches Pay-TV-Kinderprogramm einzuführen. Vielleicht aber fällt den Verantwortlichen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern noch eine andere „Lösung“ ein. Schon lange denkt man darüber nach, die „Nachtlücke“ zu schließen. Dann könnte man doch die wenigen verbleibenden Kindersendungen demnächst zwischen zwei und sechs Uhr nachts senden, wenn sich die denkbar geringste Zahl unserer „kinderfreien Quotenbürger“ durch sie belästigt fühlt! Der erste Schritt in diese Richtung ist mit den neuen Sendeplätzen, am Wochenende um acht Uhr in der Frühe, bereits getan! Wer es immer noch nicht aufgegeben hat, sich Kinder zu wünschen, sie großzuziehen und obendrein auch noch erziehen und bilden will, der soll halt am Vorabend den Videorecorder programmieren. Und er sollte sich schleunigst einen Vorrat anspruchsvoller Kindersendungen zulegen – im Quotenland ist kein Platz für Kinder! Aglaja Beyes-Corleis

Die Autorin lebt als freie Journalistin in Wiesbaden.