Dubiose Regelung für Biergärten

■ Der Senat will eine neue Lärmschutzverordnung für Berliner Biergärten einführen / Die FDP spricht von "Irreführung" / Votum der Bürgermeister steht noch aus

Dürfen die Berliner in diesem Sommer länger unter freiem Himmel sitzen und ihr Bierchen schlabbern? Der Senat, der im vergangenen Jahr von Gastwirten und Medien wegen seiner starren Haltung zu den Öffnungszeiten der Biergärten hart kritisiert worden war, hat nun die Flucht nach vorne angetreten. So soll die Lärmschutzverordnung nunmehr weiter gefaßt werden, die den Wirten das Leben schwer machte.

Bislang gilt die Regel: Grundsätzlich ist nach 22 Uhr ein Ausschank unter freiem Himmel nicht erlaubt. Ausnahmen sind nach der jetzigen Fassung nur möglich, wenn die Störungen für Dritte „unbedeutend“ sind. Nun raffte sich die zuständige Senatsverwaltung für Umweltschutz auf und änderte den entsprechenden Passus. Verbote sollen nur noch dann angewandt werden, wenn die „Belange Dritter angesichts der örtlichen Gegebenheiten in unvertretbarem Umfang beeinträchtigt werden“.

Keinen Einfluß hat die Änderung auf die Grenzwerte, die für Lautstärken festgelegt sind. In Wohngebieten liegt die zulässige Höchstgrenze bei 40 Dezibel. Wo zusätzlich Gewerbe angesiedelt ist, muß eine Ausnahme erteilt werden, wenn im Freien 45 Dezibel gemessen werden.

Für den FDP-Abgeordneten Wolfgang Mleczkowski ist der Vorstoß der Umweltverwaltung schlicht eine „Irreführung“. Schon eine normale Unterhaltung liege zwischen 40 und 60 Dezibel. Sollten Berliner Biergärten nicht zu „Flüstergärten“ werden, seien daher klare Vorgaben wie die deutliche Heraufsetzung der Grenzwerte für Geräuschimmissionen nötig, so seine Forderung. Wohl in der Hoffnung, die ureigene Wahlklientel um ein paar Kneipiers zu erweitern, starteten die Freidemokraten Anfang dieser Woche eine Umfrage unter rund 3.000 Berliner Gastwirten. Deren Anregungen und Nöte sollen dann in einen Parlamentsantrag der Fraktion zu einer klaren Regelung einfließen, damit „künftig nicht mehr so gut wie automatisch um 22 Uhr unter freiem Himmel geschlossen werden muß“, wie Mleczkowski meint. Auch die Hotel- und Gaststätten- Innung, die im letzten Jahr mit medienwirksamen Auftritten betroffener Kneipiers eine regelrechte Kampagne losgetreten hatte, ist mit der neuen Regelung höchst unzufrieden. „Augenwischerei“ nennt Innungs-Sprecherin Sabine Kalkmann das Papier der Umweltverwaltung. Die Diskussion laufe in eine völlig falsche Richtung: „Wir hätten uns gewünscht, daß grundsätzlich die Öffnung der Biergärten bis Mitternacht festgeschrieben wird.“ Sollte sich dann im Einzelfall erweisen, daß die Lärmschutzverordnung überschritten wird, könnte auf 22 Uhr heruntergesetzt werden, meint Kalkmann.

Solche Überlegungen werden in einigen Bezirken, die für die Genehmigungen zuständig sind, gar nicht gerne gehört. So wird sich der Rat der Bürgermeister am 19. Mai mit dem Thema beschäftigen. Vorab ließ das Umweltamt in Mitte bereits durchblicken, daß man weiterhin dem Schutz der Anwohner vor dem Vergnügen der Touristen Vorrang einräumt. Der Ostberliner Bezirk will die neue Regelung streng auslegen. Für das Nicolaiviertel hieße das dann wie gehabt: um 22 Uhr müssen Stühle und Tische unter freiem Himmel geräumt werden. Severin Weiland