■ Die Bundeswehrfrage vor dem Bundesverfassungsgericht
: Billige Häme

Warum arbeitet die deutsche Justiz so gründlich und warum sind die Zeiten so schnellebig? Das muß sich derzeit etwas entnervt die SPD fragen, die in Karlsruhe ihre drei Klagen zur künftigen Rolle der Bundeswehr zu vertreten hat. Denn während die Sozialdemokraten weiter auf die verfassungsrechtliche Klärung ihrer Einwände warten, ist der beanstandete Somalia-Einsatz längst beendet, fliegen die deutschen Soldaten in den Awacs-Maschinen über Ex-Jugoslawien mit ausdrücklicher Zustimmung der SPD-Bundestagsfraktion. Was sie in der letzten Woche im Parlament gewürdigt hat – „den Einsatz deutscher Soldaten an der Seite unserer Bündnispartner zur Durchsetzung des Flugverbotes“ –, dem bestreitet sie in Karlsruhe nach wie vor die verfassungsrechtliche Grundlage. Dieser Widerspruch rückt die argumentativen Bemühungen der SPD-Vertreter leicht ins Unverständliche und verschafft Volker Rühe seine demonstrative Selbstsicherheit.

Schöner jedenfalls hätte die Rechnung der Union nicht aufgehen können: Mit der Entsendung deutscher Soldaten jenseits von Nato-Verpflichtungen brach sie den jahrzehntelangen Konsens und brachte zugleich die faktische Neudefinition „deutscher Aufgaben in der Welt“ in ihrem Sinne voran. Dabei geriet schon die bedenkenlose Durchsetzung der Einsätze gegen eine auf Zurückhaltung drängende Opposition zum machtpolitischen Erfolg. Daß die SPD sich am Ende genötigt sah, unter dem Zwang der Eskalation in Bosnien diesen Erfolg auch noch zu sanktionieren, garantiert den Sozialdemokraten neben der vollen Häme der Union auch noch die Verschärfung ihres außenpolitischen Dilemmas. Denn mit der Zustimmung zum Awacs-Einsatz unterläuft die Partei ihre gerade mühsam ausbalancierte Blauhelm-Beschlußlage. Indem sie dieses Mal einem als militärisch qualifizierten Einsatz zustimmt, kann sie in Zukunft – wie immer das Gericht entscheidet – kaum mehr für eine prinzipielle Verhinderung solcher Einsätze plädieren.

Nicht schwer zu prognostizieren, daß in absehbarer Zeit nicht mehr ums Prinzip, sondern nur noch um die Modalitäten solcher Einsätze gestritten werden wird. Doch es ist dieser Streit, der den Klagen der SPD vor dem Bundesverfassungegericht nach wie vor ihre Bedeutung sichert. Am Urteil des Gerichts werden sich auch die Pläne der Konservativen orientieren müssen. Gerade weil die Union ausschließlich mit den „außenpolitischen Notwendigkeiten“ argumentiert und schon jenseits aller verfassungsrechtlichen Restriktionen zu agieren scheint, läßt sich die Klage der SPD nicht auf den bloßen Versuch reduzieren, eine faktisch bereits kassierte Beschlußlage mittels juristischer Hilfestellung doch noch abzusichern. Jenseits des politischen Dilemmas der SPD steht ihre Klage für einen, im besten Sinne skrupulösen Begriff rechtsstaatlicher Politik, die auch in schnellebigen Zeiten nicht bereit ist, verfassungsrechtliche Zweifel zugunsten politischer Opportunitäten beiseite zu schieben. Das macht die Häme der Union stumpf. Unbehaglich bleibt sie trotzdem. Matthias Geis