Massenverhaftungen in den besetzten Gebieten

■ Israelische Militärs setzen Hunderte PalästinenserInnen fest, die verdächtigt werden, zur islamistischen Hamas zu gehören oder mit ihr zu sympathisieren

Tel Aviv (taz) – In den von Israel besetzten Gebieten sind seit zwei Tagen Massenverhaftungen von PalästinenserInnen im Gang. Den Festgenommenen wird vorgeworfen, Aktivisten der islamistischen Hamas-Bewegung zu sein oder mit dieser zu sympathisieren. Bis gestern wurden annähernd 400 Personen inhaftiert, darunter auch etliche der im vergangenen Jahr aus dem Süden Libanons zurückgekehrten Deportierten.

Ein hoher israelischer Sicherheitsoffizier bezeichnete die Operation als Reaktion auf eine Reihe von Terrorakten der Hamas, wie die jüngsten Anschläge in Afula und Hadera. Die Massenverhaftung sei ein schwerer Schlag für die Organisation. Sie bilde jedoch nur den Anfang eines Kampfes der Geheimdienste und des Militärs gegen Hamas. Dieser erfolge unabhängig von den Nahost-Friedensverhandlungen. Nach Darstellung des Offiziers dienen die Verhaftungen „auch der PLO und ihren Zielen“. Bekanntlich habe die PLO „ausdrücklich gegen die Terroraktionen von Hamas Stellung bezogen“.

Die Auswahl der Verhafteten erfolgte nach vom Geheimdienst erstellten Listen, die angeblich insgesamt 500 Namen enthalten sollen. Nach Aussage von Polizeiminister Mosche Schachal sollen die Inhaftierten entweder vor Gericht gestellt werden oder in Administrativhaft kommen. Letzteres bedeutet, daß sie ohne Gerichtsverfahren bis zu sechs Monate festgehalten werden dürfen. In Kreisen der Fatah-Führung in Ost-Jerusalem glaubt man, daß die Verhaftungen vor allem die nach den Anschlägen stark verunsicherte israelische Öffentlichkeit beruhigen sollen. Zudem, so meinen Palästinenser, wird durch die Verhaftungen die Arbeit der palästinensischen Polizei erleichtert. Diese soll in der ersten Hälfte des Mai die Kontrolle über Teile des Gaza- Streifens und Jericho übernehmen.

Die PLO-Führung in den besetzten Gebieten kritisierte die Kampagne gegen Hamas. Sie befürchtet, daß dadurch die Islamisten in der palästinensischen Bevölkerung einen Popularitätsschub bekommen. Dieser ginge, wie bei früheren Repressionen gegen Hamas, auf Kosten der von PLO- Chef Jassir Arafat geführten Fatah. Auch ist zu befürchten, daß als Reaktion auf die Verhaftungen Terroranschläge nicht ab-, sondern zunehmen. Zumal die Verhafteten mehrheitlich zu einer politischen Führungsschicht gehören, die selbst keine Anschläge durchführt.

Zum Teil handelt es sich bei den Festgenommenen um solche Islamisten, die im künftig teilautonomen Gaza-Streifen und in Jericho eine Zusammenarbeit mit der PLO anstreben. In den besetzten Gebieten gibt es klare Versöhnungstendenzen zwischen der Fatah und Hamas. Die israelische Regierung versucht, diese jedoch zu unterbinden. Amos Wollin