Viel hilft nicht viel

■ Vitaminpillen sind oft überdosiert / Zuviel Vitamin A und D kann zu gesundheitlichen Schäden führen / Körner und Karotten tun's auch

Obwohl die Deutschen ausreichend mit Vitaminen versorgt sind, schlucken sie eifrig Vitaminpräparate. Doch die meisten Pillen und Tropfen sind überflüssig und gefährden die Gesundheit. Das stellte das ÖKO-TEST-Magazin jetzt bei einer Untersuchung von 68 Vitaminpräparaten fest.

Das Magazin berichtet unter anderem von einer großangelegten Studie, nach der im Schnitt mehr als 95 Prozent aller Bundesbürger ausreichend mit Vitaminen versorgt sind. Marktananalysen der Pharmaindustrie ergaben zudem, daß vor allem gesundheitsbewußte Bundesbürger, die ohnehin keinen Vitaminmangel haben, zu den Stammkunden in Apotheken und Drogerien gehören. Deshalb hat das ÖKO-TEST-Magazin Produkte unter dem Aspekt getestet, wie gesund die Mittel für gesunde Menschen sind.

Generell, so konstatierten die ÖKO-TESTer, sind künstliche Präparate im Vergleich zu einer vernünftigen, gesunden Ernährung bestenfalls „zweite Wahl“. Denn eine ausgewogene Mischung aller wichtigen Nährstoffe, zu denen neben Vitaminen auch Mineralstoffe, Spurenelemente, Eiweiß, Fettsäuren und Kohlenhydrate gehören, ist letztlich nur in Lebensmitteln zu finden.

Darüber hinaus spricht gegen viele Vitaminpräparate, daß sie oft extrem überdosiert sind. Einige Präparate enthalten sogar die tausendfache Menge dessen, was die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt. Zum einen kann der Körper wasserlösliche Vitamine in Megadosen überhaupt nicht verwerten und scheidet sie einfach aus. Zum anderen jedoch können einzelne fettlösliche Vitamine erhebliche Nebenwirkungen haben. So kann eine Überdosierung des im Körper speicherbaren Vitamins A zum Beispiel bei Schwangeren fruchtschädigend wirken und bei den Kindern zu schweren Mißbildungen führen. Zuviel Vitamin D kann die Nierenfunktion stören oder zur Kalkablagerung im Gewebe beitragen.

Viele Vitaminpräparate enthalten zudem Zuckeraustauschstoffe oder Süßstoffe. Solche Substanzen sind nicht nur überflüssig. Einige der künstlichen Süßmacher wirken abführend und sind gesundheitlich umstritten.

Weiterer Kritikpunkt der Frankfurter ÖKO-TESTer an den künstlichen Vitaminen: Viele Hersteller versprechen auf der Verpackung oder dem Beipackzettel Wirkungen, für die es überhaupt keine Beweise gibt. So wird behauptet, Vitamin E sei bei Potenzstörungen hilfreich. ÖKO-TEST hält solche Versprechungen für eine Irreführung der Verbraucher.

Dagegen wird momentan diskutiert, ob die Vitamine A, Beta-Carotin, C und E möglicherweise bei der Verhütung bestimmter Krebserkrankungen hilfreich sein können. Eine Studie an Bewohnern der nordchinesischen Region Linxian ergab, daß eine Mischung aus Beta-Carotin, Vitamin E und dem Spurenelement Selen Erkrankungen an Magen- und Speiseröhrenkrebs um 21 Prozent reduzierte. Andere Untersuchungen ergaben aber, daß Frauen, in deren Blut man erhöhte Vitamin A- und E-Werte fand, sogar häufiger an Brustkrebs erkranken.

Statt auf Vitaminpillen zu setzen sollten Gesunde sich lieber vollwertig ernähren. So erhält der Körper alles, was er benötigt. Nur wenn der Arzt einen nicht-ernährungsbedingten Vitaminmangel ausmacht, können Pillen sinnvoll sein.

Regine Cejka