So federleicht

■ Jo Fabian inszeniert „They walk & They talk“ im Theater unterm Dach

Kaum hatte Nele Hertling den bisher nur unter Eingeweihten bekannten Choreographen Jo Fabian ans Hebbel Theater eingeladen und einem erklecklichen Publikum präsentiert – schon wurde der Ostszene-Choreograph zum Theatertreffen eingeladen.

Im kleinen Theater unterm Dach, dort draußen im abgelegenen Kulturhaus am Ernst-Thälmann-Park, hatte am vergangenen Freitag Fabians neuestes Stück mit seiner Gruppe Example Dept. – „They walk & They talk“ – Premiere. Man konnte sich des Eindrucks, daß all die Aufregungen nicht unbemerkt an dem Choreographen vorbeigezogen sind, schlecht erwehren: So federleicht und heiter und so himmelblau wie die Samtmäntel der Tänzerinnen kommen Fabians Passantenpaare daher. Man könnte auch sagen ungewohnt seicht.

Fabian verzichtet hier weitgehend auf den üblichen Sarkasmus und die Attacken auf die Nerven des Zuschauers. Klug, charmant und poetisch: Man kann schwer widerstehen und gewinnt einem Mann, der mit einem Strauß roter Nelken in der Hand vergeblich auf die Liebste wartet, ganz neue Seiten ab.

Eine Geschichte gibt es – wie immer bei Fabian – nicht, und entgegen der Ankündigung des Titels wird in diesem Stück so gut wie nicht gesprochen: Das sonst beliebte endlose Gerede über die Regieanweisungen des Regisseurs oder über die Handlung, die eigentlich stattfinden soll, entfällt. Die Münder bewegen sich, das Mikrophon wird hin- und hergereicht – doch zu hören ist nichts. Fabians geklonte Tänzer-Schauspieler (wie seit inzwischen acht Inszenierungen sonnenbebrillt, mit langen Zöpfen und schwarzem Hut versehen) veranstalten einen Zirkus der Belanglosigkeiten, der der tonalen Übertragung nicht mehr bedarf.

Statt Gerede nicht endende Marschiererei: Eineinviertel Stunden lang gleiten die Schauspieltänzer leicht schwebend, aber streng abgezirkelten Schrittes über die Bretter des Lebens – in um sich selbst kreisenden, von Ferne an barocke Tänze erinnernden Formationen. Eine schöne Ordnung, die auch von Verwirrungen darüber, wer wie und wo was zu tun hat, nicht nachhaltig gestört werden kann.

Da ist selbst der schwarze Pudel verwundert, der zwischendurch auf der Bühne rumsteht und so verdattert aus der Wäsche schaut, wie es seinem sonnenbebrillten, verkniffenen Herrchen eigentlich angestanden hätte.

„Wir reden im Theater übers Theater, weil es so natürlich ist wie Milch trinken“, verkündete Fabian unlängst im TV-Kulturmagazin „Aspekte“, indem er und seine Truppe sich so richtig schön pubertär-rotzfrech dem Establishment präsentierten und den Eindruck vermittelten, alles andere als Anpassung im Sinn zu haben – und das verkauft sich bekanntlich gut.

Das neben seiner sicher besten Arbeit „Whisky & Flags“ ausgerechnet das mißratene Stück „Keine Gnade“ für das Theatertreffen nominiert wurde, kann man nicht anders denn als Mißgriff der Jury bezeichnen. „Keine Gnade“ ist gnadenlos penetrant und nervig, aber dafür eminent politisch – mit Hakenkreuzen auf der Bühne und so. Ob es gelingen wird, Jo Fabian dem hungrigen Markt einzuverleiben, bleibt allerdings abzuwarten. Michaela Schlagenwerth

„They walk & They talk“ vom 22. bis 24.4. um 20 Uhr im Theater unter Dach, Dimitroffstraße 101.