Durchs Dröhnland
: Es ist so einfach, doof zu sein

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte

Wenn es um das einträgliche Geschäft mit dem Hardcore- Rap-Crossover geht, sind Gunjah immer noch die vielversprechendsten Talente in der Stadt. Auch wenn sie inzwischen bei ihrer zweiten Vollzeit-Platte angelangt sind, deren Erscheinen sie am heutigen Freitag feiern wollen. Das mit dem ewigen Talent liegt schlicht am falschen Ort, an den es sie verschlagen hat. In Berlin können sie auch nach zwanzig Platten wohl nie gegen die Marktführer aus Übersee anstinken. So ist vielleicht auch der schon fast verzweifelte Versuch zu erklären, noch mehr HipHop-Elemente in die wild zuckenden Gitarren einzubauen und sich das Produzenten-Team Fischerman's Friend zuzulegen, die zuletzt einen Charts- Erfolg mit „Nigger“ von Clawfinger feiern durften. Das eine oder andere Stück zerfasert allerdings allzusehr wegen überbordender Gimmicks und Soundspielerchen. Als straighte Crossover- Combo haben sie mir persönlich besser gefallen.

Am 22.4. um 21 Uhr im SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg

Mit der Kultur der Südstaaten geht es abwärts, nicht mehr bedeutet Southern Culture on the Skids. Also hat es sich Rick Miller zur Aufgabe gemacht, eben jene zu retten, zu restaurieren, wiederaufleben zu lassen. In der Beziehung zieht er an einem Strang mit Leuten wie Tav Falco, nur der trägt dazu elegante Anzüge. Miller zieht sich für die Bühne schlabbrige Latzhosen und noch schlabbrigere Schlapphüte an, um die Karikatur eines Landarbeiters aus den Fünfzigern abzugeben, dem die Fried Green Tomatoes nicht bekommen sind. Die Musik seines Trios ist – jenseits der dämlichen Witze – allerdings großartig, auch wegen der guten Witze. Einer der Helden ist Link Wray, das hört man in staubknochentrockenen Instrumentals, die völlig ungelenk, aber fingersnippin' garanteed dahergrooven. Manchmal ist es doch schön einfach, so doof und mit den schlichten Dingen des Lebens zufrieden zu sein.

Am 23.4. um 21 Uhr im Huxley's Junior, Hasenheide 108–114, Neukölln

A cappella findet sich in den Charts meist nur, wenn ein bereits vorhandener Hit mit Stimmen noch einmal interpretiert wird. The Bobs aus San Francisco haben in den 13 Jahren ihres Bestehens zwar schon reichlich gecovert, aber ein rechter Hit kam dabei nicht heraus. Dabei sind sie im Moment wohl die weltbeste A- cappella-Formation, auch wenn sich Jimi Hendrix bei ihnen ganz und gar nicht richtig anhört. Daß sie darauf scheißen, unterscheidet sie von vielen, die bisher ähnliches verbrachen und sich dabei noch allzu ernst nahmen. Die Bobs glänzen zum einen mit penetranter technischer Raffinesse, die sie andererseits hauptsächlich dazu verwenden, ihre gecoverten Opfer durch den Kakao zu ziehen.

Am 24.4. in der Passionskirche, Marheinekeplatz, Kreuzberg, am 25.4. im Lindenpark, Potsdam, jeweils 20 Uhr

Teenies finden's klasse, Kritiker finden's klasse, House-Fans lieben es, und Freunde alten Souls können was damit anfangen. M-People sind das raffiniertest durchdachte im Dance-Sektor seit langem, weil Mastermind Mike Pickering, langjähriger DJ im Londoner Hacienda, mit seiner offensichtlichen Liebe zum Northern Soul die Traditionalisten ebenso auf seine Seite ziehen kann wie die ganz aufs Hier und Jetzt eingestellten Tanzwütigen. Mit Heather Small hat er eine der aufregendsten Stimmen gekapert und mit Programmierer Paul Heard (vormals Orange Juice und Working Week) einen Spezialisten für die smoothen Soul- Sounds gefunden. M-People finden aber trotz aller cleveren Berechnung überraschenderweise doch immer wieder die Seele vom Soul.

Am 24.4. um 20 Uhr im Metropol, Nollendorfplatz, Schöneberg

Wir reden hier von italienischer Musik, aber nicht von dem Zeug, das man gezwungen wird zu hören, wenn man nur mal kurz an der Ecke eine Pizza einschmeißen wollte. Da starrt man dann auf den Rauhputz an den Wänden, verfängt sich auf dem Weg zum Klo in den Fischernetzen, weil Eros Ramazotti und Al Bano & Romina Power nicht lockerlassen. Doch hier geht es um Gianni Morandi, der seit den sechziger Jahren der beliebteste Chansonnier in Bella Italia ist und es immer noch versteht, dem ganz gemeinen Schmalz die Butter vom Brot zu nehmen. Das ist der Unterschied zwischen Eisdiele und Bar, zwischen Sand zwischen den Zähnen und einem schnellen Espresso an einer namenlosen Theke in der Mitte von Nirgendwo, aber eben auch Italien.

Am 25.4. um 20 Uhr in der Passionskirche

Irgendwie so zerbrechlich und dann doch gleichzeitig ungemein kraftvoll, mal scheinbar unmotiviert schrammelnd, dann plötzlich passiert gar nichts, wie als wäre Denkpause angesagt, um dann einfach mal loszurocken. So wie die Musik von Das Weeth Experience mal ausfasert, um dann schwuppdiwupp straighte Rock- oder auch Popqualitäten zu bekommen, erinnern sie an Pavement. Und so, als wollten die drei Hamburger diesen Ansatz tatsächlich ins Deutsche übertragen, wird – im Gegensatz zur Nette- Jungs-machen-halt-einfach-Ideologie von Pavement – der Überbau gleich mitgeliefert: Die ganze Rockgeschichte solle sich bei ihnen wiederfinden, „von Neil Young über Velvet Underground bis hin zu Can“. Nun gut, das mag ja sein, aber zuerst einmal sind diese drei ein gut verwirrtes Rocktrio, das es schafft, die Intensität eines Übungsraums ins Studio und auf die Bühne zu retten.

Am 26.4. um 22 Uhr im Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Man stelle sich vor, die Residents wären nicht ganz so beknackt, wie sie nun mal sind, und hätten eine unerklärliche Schwäche für Funk entwickelt. Dann würden sie sich vielleicht Pelzmützen anstatt der Augäpfel auf den Kopf setzen, trotzdem jede Menge Piepsen und Gequietsche zwischenschieben, aber halt auch einen guten Groove nicht ablehnen, vor allem jede Menge doofe Witze reißen, aus Frankreich stammen und sich Tschack! nennen. Ja vielleicht, aber eher wohl doch nicht...

Am 28.4. um 22 Uhr im Tacheles, Oranienburger Straße 54–56, Mitte

Tragisches Trio das. Zuerst zu spät gekommen, dann zu früh abgetreten und jetzt völlig neben der Zeit. Killdozer verschwanden 1989 nach einer zu ausgiebig geratenen Tournee und versuchten sich in normalen Jobs. Kurz danach ging Grunge los, und plötzlich wäre ihr überaus schwerfälliger Rock mal richtig gewesen. Jetzt sind sie wieder da, können ein wenig besser spielen, haben einen neuen Gitarristen und gehen locker als beste Led-Zeppelin-Revival-Band der Welt durch, auch wenn ihr Blues bei weitem fieser ist, ihr Sound immer noch ungewaschen, aber ihr Posing hat beste Siebziger-Qualitäten. Nie war die Zeit reifer für Killdozer, höchstens ihre ebenso respekt- wie hirnlosen Coverversionen von Janet Jackson oder EMF könnten ihnen da noch ein Beinchen stellen.

Am 28.4. um 21 Uhr im Huxley's Junior Thomas Winkler