■ Sparen für „out of area“: Die Bundeswehr schrumpft
: Gandhi-Preis für Rühe?

Verrückte Zeiten: Vor wenigen Jahren noch wäre jedem Bonner Verteidigungsminister, der seine eigene Truppe um Zehntausende von Soldaten reduzieren will, ein eigens geschaffener Mahatma-Gandhi- Preis verliehen worden. Heute fängt sich Volker Rühe für solche Vorschläge Prügel ein – sogar von der eigenen Fraktion.

Pazifismus ist es nicht, der den Minister reitet – die mitplanenden Chef-Stäbe der Bundeswehr lösen freiwillig keine einzige Kompanie auf. Den Marschall- Stab aber verwahrt längst der Finanzminister. Werner Schulz, der Chef der Bundestagsgruppe von Bündnis 90/ Die Grünen, hat kürzlich eingeräumt, daß ganze Papierberge von Resolutionen der Friedensbewegung der Bundeswehr nicht so geschadet haben wie das Spardiktat Theo Waigels. Im Manöver simulieren die Soldaten Kampfhandlungen inzwischen mit den Rufen „Peng, peng“ und „Bumm, bumm“, weil das Geld für Übungsmunition fehlt.

Die Bundeswehrstärke von 370.000 Mann ist nicht mehr zu finanzieren – auch deshalb nicht, weil Rühe Geld für hochmobile, gut ausgerüstete und weltweit operierende Krisenreaktionskräfte (KRK) braucht. Zum Sparen muß der Minister die Struktur seiner Truppe umkrempeln: 340.000 Mann oder gar nur 320.000 will er unter der Fahne halten, die Wehrpflichtzeit auf zehn Monate verkürzen.

Warum ist die Empörung über solche Pläne in der Koalition nun so viel größer als etwa über Schäubles Vorschlag, die Bundeswehr im Inneren einzusetzen, als über Planspiele mit deutschen Soldaten in Ex-Jugoslawien oder über Rupert Scholz' Vorhaben, eine „Nationalgarde“ nach US-Vorbild für den Einsatz im In- und Ausland zu schaffen? Im Wahljahr treibt die Abgeordneten Angst um. Sie wissen, daß der Reform Dutzende von Standorten zum Opfern fallen. Einer könnte im eigenen Wahlkreis liegen. Und sie stehen vor Entscheidungen, auf die sie keinen Einfluß mehr haben. Daß die Wehrpflicht unter Rühes Vorgaben auf Dauer nicht zu halten ist, läßt sich trotz aller Beteuerungen absehen.

Die Überrumpelung der eigenen Fraktion wirft ein bezeichnendes Licht auf die politische Praxis der Hardthöhe. Da wird kein politischer Konsens gesucht, die Fakten kommen auf den Tisch, wenn längst entschieden ist. Detaillierte Planungen für die Krisensreaktionskräfte hat Rühe kürzlich vorgestellt – in Karlsruhe aber ist noch lange kein Urteil über die Auslandseinsätze ergangen. Ob die Wehrpflicht nötig ist, wie die Bundeswehr aussehen und wo sie handeln soll, muß offen diskutiert und politisch entschieden werden – und zwar, bevor der erste Bundeswehrsoldat in Zentralafrika oder in Bosnien gefallen ist. Hans Monath