■ Die Positiv-Bilanz der Schneider-Pleite
: Nicht jeder Verlust ist ein Schaden

Jürgen Schneider, der Großpleitier, hinterläßt einen Schuldenberg von fünf Milliarden Mark. Der Skandal ist groß, die Empörung wächst. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, es sei ein gigantischer Schaden entstanden. Es fragt sich nur, für wen. Die leidtragenden Banken haben sich ihren Verlust redlich (?) verdient. Am Ende werden sie aus dem Schaden noch Gewinn ziehen: Ihnen werden Grundstücke und hervorragend sanierte Luxusaltbauten in besten Lagen überschrieben, die irgendwann den Wert erreichen werden, den Schneider für heute betrügerisch behauptet. Boden ist ein nicht vermehrbares und darum immer teurer werdendes Gut. Genau deshalb gelten ja Grundstücke und Gebäude als hervorragende Sicherheit für Bankkredite.

Nicht einmal auf kurze Sicht ist der Verlust für die Banken ein Schaden. Wie 1993 werden die Großbanken auch in diesem Jahr wachsende Gewinne einstreichen. Der Schneider-Verlust eignet sich dabei ausgezeichnet zum Steuern sparen. Auch die Milliarden, die die Banken letztes Jahr in die Rücklagen steckten, lassen sich nun unter dem Stichwort „weise Vorausschau“ rechtfertigen. Sogar in Bankerkreisen wird inzwischen spekuliert, ob die Pleite nicht unter Beteiligung der Banken inszeniert worden ist.

Was die Banken tatsächlich erlitten haben, ist ein Imageverlust. Darüber mögen die Herren Kopper & Co. trauern. Die Öffentlichkeit hat Grund, sich zu freuen. Nie zuvor in Deutschland wurde die Macht der großen Geldspeicher, ihre Verflechtung mit der Großindustrie und die Praxis ihrer Kreditvergabe derart in Frage gestellt. Der Imageverlust kommt außerdem den vielzitierten kleinen Handwerkern zugute. Würden diese tatsächlich reihenweise Folgekonkurse anmelden müssen, würde selbst die amtierende Bundesregierung dem Empörungsvokabular Taten, sprich: härtere Gesetze zu Lasten der Banken folgen lassen. Jetzt aber werden die Banken den Handwerkern diskret unter die Arme greifen. Die einzigen Verlierer sind die bisher im Schneider-Imperium Beschäftigten: Sie verlieren ihre Arbeitsplätze.

Bleiben die überteuerten Objekte in den Innenstädten von Frankfurt/Main und Leipzig. Ihre keineswegs am Bettelstab gehenden Eigentümer grämen sich derzeit über die Umvermietbarkeit. Für die weniger betuchte Bevölkerungsmehrheit ein erfreuliches Schauspiel: Endlich stehen mit den Immobilienhändlern und Zahnwälten jene auf der Verliererseite, die in der Folge des Vereinigungsbooms die Mieten in immer schwindelndere Höhen hochspekuliert haben. Die schicken Gebäude müssen ja nicht leer stehen. Für niedrigere Mieten werden gerne auch Schuster, Bäcker oder Änderungsschneidereien einziehen. Donata Riedel