Falsches Lob? -betr.: "Abschied vom Status Quo", und Kommentar vom 14.4.94

Betr.: „Abschied vom Status Quo“, und Kommentar, 14.4.94

Liebe taz-RedakteurInnen,

ob es dem Präsidenten des Hamburger Rechnungshofes tatsächlich obliegt, dem Senat Sparvorschläge zu unterbreiten und er dann ausgerechnet an dieser Stelle als pflichtbewußter Beamter gerühmt werden sollte, das sei dahingestellt. Die Sparpolitik, die zu entwickeln dieser Senat bereits begonnen hat, zielt ja genau in die gleiche Richtung.

Aber daß es in der taz Lob für solche Vorschläge gibt, wie die Gruppenfrequenz in KTHs zu erhöhen oder die Klassenfrequenz, das läßt mich wirklich schaudern. Als vor noch nicht allzu langer Zeit Herr Wegner (STATT Partei) sich dahingehend äußerte, er sei mit über dreißig Mitschülern in einer Klasse gewesen, das habe ihm nicht geschadet, also könne das doch auch heute nicht schaden (anscheinend niemals Alice Miller gelesen, schade eigentlich) - war ihm die Häme, nicht einmal nur der taz, gewiß, und zwar mit Recht. Nur werden dumme bis politisch gemeingefährliche Ideen nicht dadurch besser, daß sie einE andereR ausspricht.

Ich hätte gedacht, daß mensch einen Redakteur der taz, in diesem Fall Herrn Exner, nun wirklich nicht auf die Problematik des Sparens ausgerechnet im Jugendbereich aufmerksam machen müßte, hier erwarte ich eigentlich anderes zu lesen als in einem Kommentar der Springer-Presse. Es wäre z.B. längst schon überfällig, mehr Investitionen in den Jugendbereich zu fordern ohne die gleich immer mitgelieferte Rechtfertigung: Wenn wir jetzt nicht zahlen, dann treffen uns später die sozialen Folgekosten noch viel härter. Wir sollten uns trauen, an dem offensichtlich mittlerweile quer durch alle Lager getroffenen Konsens zu rütteln, „daß in Zeiten knapper Kassen usw. ...“

Kinder und Jugendliche haben einfach ein Recht darauf, die in dieser Gesellschaft bestmögliche Förderung zu erhalten, und zwar nicht nur die Nachkommen der oberen Zehntausend!

Ulrike Kirschner, GAL-

Fraktionsvorsitzende in der

Bezirksversammlung Bergedorf

Anm. der Red: Über die Vorschläge des Rechnungshofes haben wir berichtet, ihn jedoch weder „gerühmt“ noch gelobt.