Stürzende Glasplatten, flatternde Fledermäuse

■ Europas größte Skulptur in der unbenutzten U4-Tunnelröhre im Hauptbahnhof Nord

Zum Hamburger Architektur-Sommer wird am Montag, dem 9.Mai, Europas größte Skulptur im öffentlichen Raum eingeweiht. Stephan Huber und Raimund Kummer haben nach drei Jahren Planung und Arbeit ihr Gemeinschaftsprojekt „Firmament“ zur dauerhaften Installation in der bisher unbenutzen Tunnelröhre des U-Bahnhofs Haupbahnhof Nord arrangiert. Hajo Schiff war vor Ort und sprach während der abschließenden Bauarbeiten mit Raimund Kummer.

taz: Noch ist alles abgesperrt. Wie wird die Arbeit sich später präsentieren?

Kummer: Wenn man die Rolltreppe herunter fährt, sieht man es bereits. Es gibt drei Ansichtspunkte, von vorne, von hinten und in der Mitte einen Seiteneinblick. Bei dieser gewaltigen Länge von 150 Metern Länge macht das Sinn. Hier ist die Tunnelröhre bis auf die rostige Armierung entkernt, die Skulptur ist eine schier endlose Reihung gefallener Sterne, auf der anderen Seite hängen die stürzenden Bruchstücke des Firmaments in der originalbelassenen U-Bahn-Röhre.

Der einstürzende Himmel und der Blick aus der eigenen Kosmoskugel heraus taucht in der Kunstgeschichte seit dem Manierismus auf. Hier ist das Thema mit großer Wucht dargestellt und bietet einen irrealen, Science-Fiction-mäßigen Endzeit-Anblick.

Sterbende Sterne sind es ja wirklich, die da auf dem Gitterrost liegen. Wir haben alles mit einem 10 Meter langen Modell getestet, dann haben wir die Sterne nur so reingelegt und gesehen, daß die trotz ihrer Schwere einfach untergehen. Obwohl wir eigentlich Sockellösungen nicht besonders mögen, konnten wir uns dafür entscheiden, nachdem wir die durch die Gitter erzeugte Lichtmodulation gesehen hatten, die die massigen Eisensterne fast schweben lassen. Die Roste geben ja auch die Richtung vor und es hat was von Straße, von Milchstraße eben.

Das Licht erscheint nicht besonders inszeniert?

Wir haben das Originallicht gelassen. Es ist immer besser wenn man den Ort nicht zuviel verändert. Unser wesentlicher Kunstgriff ist ja das Einführen unserer Arbeit und der zweite dann die Entkernung der Röhre. Mit gezielter Beleuchtung werden die massiven Eisensterne pappig und es bekommt etwas von Bühnenbild.

Was ist so schlecht am Bühnenbild?

Ich will kein Theaterstück vorführen, keinen Guckkasteneinblick. Bei einer Skulptur geht es immer um das Material und den Ort. Dazu soll sich der Tunnel auch als technisches Museum seiner selbst präsentieren.

Haben Sie sich den Raum selbst ausgesucht?

Als 1991 unsere Arbeit in der Kuppel der Kunsthalle ausgestellt war, wollte die Stadt unsere Arbeit behalten. Aber es gibt keine leerstehende Kuppel in Hamburg. Doch in den Gesprächen darüber schlug Karl Weber, der damalige Leiter der Projekte „Kunst im öffentlichen Raum“, den U-Bahnhof vor, den wir uns dann noch am Abend der Eröffnung angeschaut haben. Die Entscheidung kam schnell: Der Raum ist gut und es ist im Herzen der Stadt, unter der Kunsthalle und nicht irgendwo am Arsch der Welt und trotzdem ruppig.

Was ist für eine Inszenierung besser, das Museum oder das richtige Leben?

„Zeige Deine Wunde“, die Arbeit von Joseph Beuys mit den Totenkarren, war in München zuerst in einer öffentlichen Unterführung aufgebaut und kam dann kastriert ins Museum. Hier ist es genau umgekehrt. Ich halte das für ziemlich ungewöhnlich. Wir haben hier zweimal soviel Sterne wie einst in der Kunsthalle auf dem Teppich und durch die Reibung mit dem realen Ort gewinnt die Skulptur an zusätzlichen Dimensionen. Die HHA war dabei übrigens äußerst kooperativ und das, obwohl die technischen Einbauten eher teurer als die Kunst waren.

Jetzt sind wir hier an die andere Seite zu den stürzenden blauen Glasplatten gegangen, die wie flatternde Tiere hinter dem Gitter hervorzukommen scheinen...

Ja, wie Schmetterlinge oder Fledermäuse. Die Himmelsfragmente aus gebogenen Glas werden zum getönten Filter der Wahrnehmung.

Langsam wird die Station zum Kunstbahnhof aufgewertet, Vitrinen von weltbekannt e.V. und Astrid Kleins Fotoarbeit mit den magischen Hunden waren schon da. Wie finden Sie denn die Werbung mit den Superlativen?

Na ja, eher witzig. Es ist sicherlich die größte öffentliche Skulptur zwanzig Meter unter der Erde horizontal weltweit und jedenfalls für Hamburg das Größte.