Wir haben die Geister gerufen

■ Das ABM-Pilotprojekt Behindertenrudern des Landesruderverbandes hat große Resonanz gefunden / Kapazitäten sind fürs erste erschöpft / Hoffen auf Sponsoren

„Hätten wir nur mehr Boote zur Verfügung“, wünscht sich Harry Schulz vom Landesruderverband, „dann könnten wir das Behindertenrudern in einer unerwarteten Größe organisieren. Wir haben die Geister gerufen und werden sie nicht mehr los. Und das ist gut so.“

Das im März vom Chef der Außenstelle Grünau mit seinen Mitarbeitern vorgestellte ABM-Pilot- Projekt hat eine solche Resonanz gefunden, daß die Möglichkeiten fürs erste schon erschöpft sind.

Innerhalb von drei Wochen haben sich bereits drei Gruppen mit insgesamt 30 Behindertensportlern angemeldet; die Behindertenschule Lichtenberg, der Behinderten-Jugendclub Neukölln und eine Werkstatt für Behinderte. „Aber auch Einzelpersonen, vor allem Eltern mit Kindern, melden sich laufend. Die Beisterung ist überwältigend“, berichtet der für diesen Bereich zuständige Diplomsportlehrer Wolfgang Kuczynski.

„Im Moment haben wir mit Hilfe von Sponsoren nur ein vom Spandauer Ruderclub Friesen gespendetes Einer-Gigboot mit Steuermann behindertengerecht umbauen können, mehr Mittel, aber auch Boote stehen uns nicht zur Verfügung“, unterstreicht Projektleiter Kuczynski. Zwar würde es noch eine Weile dauern, bis man aufs Wasser kann, aber wenn's soweit ist, wird das Schlangestehen nicht zu verhindern sein. Man hofft auf Hilfe von weiteren Sponsoren, auch von Krankenkassen, die zwar zur Premiere am 12. März eingeladen waren, aber nicht gekommen sind.

„Das Behindertenrudern hat zwei Vorteile“, meinen die Macher. „Da ist zum einen das Naturerlebnis Wassersport und zum anderen die Möglichkeit, brachliegende Muskeln zu aktivieren. Da wäre es von Wert, wenn Ärzte, die Sozial- und Gesundheitsämter sowie die Krankenkassen das als rezeptverordnete Rehabilitation anerkennen würden.“ Dann könnte man die finanziellen Aufwendungen absichern und den Kreis der Aktiven erweitern. Ein Sitz für Rollstuhlfahrer kostet immerhin 3.000 Mark, für eine Schwimmweste, die alle anlegen müssen, sind 400 Mark aufzubringen. Ganz abgesehen von einem Boot für rund 15.000 Mark. Es geht um eine Grundausstattung, die bei akribischer Pflege viele Jahre zur Verfügung stehe, sagt Harry Schulz. Er erinnert auch daran, daß es schon internationale Rennen gibt, was auch 1936 in Grünau schon einmal der Fall war, auch wenn das nicht im Vordergrund steht.

Das spezielle Rudern steht allen Behinderten offen, den Querschnittsgelähmten, Sehgeschädigten, Beinamputierten und geistig Behinderten. Lediglich für Behinderte mit Anfallsleiden muß aus Sicherheitsgründen der Weg versperrt bleiben. Die Boote, auch Mehrsitzer, die nach Anbringung von Schwimmern nicht umkippen können, sind entsprechend dem Behindertengrad schnell umzurüsten. Bis die Wasserarbeit beginnt, wird erst einmal auf dem Ergometer die Herz-Kreislauf-Kondition antrainiert und im Ruderkasten die Rudertechnik erlernt.

Die Organisatoren weisen aber auch keinen Interessanten ab, „der Wasserangst hat und niemals auf der Dahme rudern will“. Man mache jedenfalls Nägel mit Köpfen und hoffe, daß die nötige Unterstützung durch die öffentliche Hand einsetze, zum Wohle der behinderten Mitbürger. Karl-Heinz Otto/ ADN