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■ StandbildPastoralpopulismus

„live“, Do., 22.15 Uhr, ZDF

Die Pädagogik hat versagt. „Trotz ,Schindlers Liste‘“, so konstatieren bestürzte Kommentatoren, sei die neonazistische Gewalt nicht zurückgegangen. „Mit freundlicher Unterstützung der Sektkellerei Fürst Metternich“ trafen sich also fünf Männer, um darüber zu reden, ob man mit den vermeintlichen geistigen Vätern des Fremdenhasses diskutieren oder deren Parteien nicht doch lieber gleich verbieten solle. CDU-Graubart Johannes Gerster und Michel Friedman, Mitglied des Zentralrats der Juden, waren dafür; das SPD Knuddelbärchen Wolfgang Thierse eher dagegen; der Politologe Claus Leggewie, der als einziger souverän wirkte und ab und an auch mal „ich“ sagte, fand die ganze Verbotsdiskussion ziemlich schädlich. Sie nutze nur den Reps.

Der obligatorische Bösewicht – Claus Reiner Röhl, Ex-Konkret-Herausgeber, Mann von Ulrike Meinhof und jetzt „wertkonservativ“ – hielt sich mehr oder weniger raus und wollte, nachdem er dem Zentralrat der Juden en passant Panikmache vorgeworfen hatte, lieber über den rechten Welt-Mann „Zundelfrieder Zittelmann“ (Die Zeit), den toffen Dramatiker Botho Strauß und den Historikerstreitler Ernst Nolte sprechen. Eine fiese, von „altkommunistischen Blättern“ inszenierte Kampagne, laufe zur Zeit gegen seine Gesinnungskameraden. Irgendwer solle sich da bitte entschuldigen.

Neben den guten Menschen, die pastoralpopulistisch mit ständigem „wir“ (Thierse, Friedmann) oder ein bißchen verlogen (Gerster), den „Papiertiger“ Republikaner aufbliesen, wirkte der nervös rauchende Feind Röhl schon fast sympathisch. Irgendwann wurde die Verbotsdiskussion von allgemeinen Reden recht kruder Metaphorik abgelöst. In einem einstudiert wirkenden Plädoyer forderte Friedman eine „Wertediskussion“, die „von uns allen“ vernachlässigt worden sei; kein Wunder „daß wir jetzt überrannt werden von einer Leere und einem Vakuum, das Rattenfänger und Menschenverachter ausnützen, um ihre gewalttätige Suppe zu kochen“. „Wahrhaftigkeit“ sei von uns allen gefordert, „und ein Stück der Wahrhaftigkeit, die ich habe, ist, Ihnen zu sagen, lieber Herr Röhl, solche Leute wie Sie sind es, die Stimmung zu Stimmungen machen und dabei mit übersehen, was sie bewirken.“ Während er so sprach, legte er kurzzeitig seine Hand auf den Arm von Röhl. Danach sagte der gar nix mehr. Detlef Kuhlbrodt

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