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Kleine Videologie

■ „Spinner, Spanner, Wächter“, Sonntag, 22.10 Uhr, West 3

Eine Videoaufnahme löste im Sommer 1992 in Los Angeles bürgerkriegsartige Unruhen aus. Der Video-Amateur George Holliday hatte im März 1991 zufällig aufgenommen, wie Polizisten den wehrlosen Autofahrer Rodney King krankenhausreif prügelten; als die Schläger-Cops ein Jahr später freigesprochen wurden, brannte für mehrere Tage das schwarze Ghetto in Los Angeles.

Per Video hätte der Aufstand aber auch kontrolliert werden können: An ferngelenkten Flugzeugen befestigte Kameras machen heute eine nahezu lückenlose Überwachung möglich. Wie der Dokumentarfilm „Spinner, Spanner, Wächter“ (West 3) zeigt, nutzen die USA derartige Luftaufnahmen schon seit längerem an der mexikanischen Grenze, um illegale Einwanderer abzufangen.

Die Reportage, die Fenton Bailey und Randy Barbato im Auftrag des englischen Channel Four produziert haben, zeigt beide Möglichkeiten der Videotechnik auf: einerseits bietet Video die technischen Voraussetzungen für eine allumfassende Überwachung, andererseits liegt gerade in der allgemeinen Zugänglichkeit ein Mittel gegen die Übermacht der etablierten Medien. Allein in den Vereinigten Staaten besitzen 14 Millionen Haushalte eine Videokamera, wobei allerdings die wenigsten Geräte benutzt werden, um Polizeiübergriffe auf Farbige zu dokumentieren. Bevorzugtes Sujet der Amateure sind vielmehr alle Arten von Katastrophen: Unfälle, Brände und Erdbeben. Szenarien, die längst auch hierzulande als sogenanntes Reality TV die Bildschirme erobert haben. In den USA werden die Amateurfilme längst professionell vermarktet; die Agentur „Home-Video-Network“ verkauft die wackeligen Aufnahmen zu Höchstpreisen an Fernsehsender.

Dem Großen Bruder aus Orwells „1984“ sind in den USA viele kleine Brüder und Schwestern zur Seite getreten. Eine amerikanische Fernsehstation gibt an selbsternannte Video-Bürgerwehren Kameras aus, damit sie die Prostituierten in ihrer Nachbarschaft filmen können. Eine „neue Art der Fernsehunterhaltung“, so der Kommentar der Filmautoren. Aber das Video-Auge richtet sich nicht nur auf Nutten und Kleinkriminelle, sondern kann auch Gegenöffentlichkeit schaffen. Als die US-Marines während des Golfkrieges Bagdad bombardierten, filmte der Reporter John Alpert mit seinem Camcorder die zivilen Opfer in der irakischen Hauptstadt. Statt allerdings die grausamen Bilder zu zeigen, die der Pentagon-Version eines blutlosen High-Tech-Krieges widersprachen, feuerte der Fernsehsender NBC seinen Reporter. Tilman Baumgärtel

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