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Wenn Autofahrer über Sicherheit nachdenken

■ Abbiegende Autos sind die größte Gefahr für Radfahrer, und der ADAC fragt zynisch: "Hallo Radler! Schon mal gestürzt?"

Verkehrsinfarkt und Treibhauseffekt zeigen keine Wirkung: Als ökologische Alternativen werden der Kat und ein neuer Golf gepriesen, der wie sein Vorgänger ein klein bißchen weniger Sprit in die Gegend pustet, als es das Modell davor tat. Von ihrem Lieblingsspielzeug wollen die Autofahrer nicht lassen, neue Verkehrskonzepte werden blockiert. Gepriesen wird weiter die „Freie Fahrt für freie Bürger“, die eine Windschutzscheibe vor sich haben.

Damit diese nicht von einem entgegenfliegenden Fahrradfahrer beschädigt wird, denken die Motor-Fetischisten nun auch über deren Sicherheit nach: „Hallo Radler! Schon mal gestürzt?“ fragt der ADAC in der Januarausgabe seiner Mitgliederzeitschrift ADAC motorwelt. Experten der Technischen Universität Aachen würden die Daten auswerten, verspricht der Begleittext: Die „Erkenntnisse sollen dem Bundesverkehrsministerium dazu dienen, bessere Gesetze und Normen zu erarbeiten“. Gefragt wird nach der Kleidung, dem Helm und den Gepäcktaschen, nach Bremsenart, Lichtanlage und Radtyp, auch nach Kindersitz, Fahrradständer und dem Geschäft, aus dem das Rad stammt. Kurz vor Ende kann sogar in einer Zeile eingetragen werden, ob ein anderer Verkehrsteilnehmer einen Fehler gemacht habe. Auf diesen können sich die neuen Normen also kaum beziehen.

Die „reißerische Überschrift“ hätten die Leser „nicht übelgenommen“, so motorwelt-Verkehrsredakteur Helmut Forgber gegenüber der taz: „Wir haben einen Rücklauf von etwa 2.500 Fragebögen.“ Auch Dieter Klaus Franke, Chef der Öffentlichkeitsarbeit des ADAC in München, findet Herangehensweise und Überschrift durchaus gelungen: „Wir machen nichts aus dem Nichts heraus“, verrät er. Eine Studie habe technische Mängel als Hauptursache für Fahrradunfälle ausgemacht. In über die Hälfte der Unfälle sei zudem gar niemand sonst verwickelt gewesen.

Das Statistische Bundesamt ist da ganz anderer Meinung: „Technische Mängel als Unfallursache haben in der polizeilichen Erfassung der Fahrradunfälle eine vergleichsweise geringe Bedeutung“, so die klare Aussage in der Dezember-Ausgabe der hauseigenen Publikation „Wirtschaft und Statistik“: Die Polizei habe 1992 nur bei zwei Prozent der Räder technische Mängel festgestellt. Auch die Zahl der „Alleinunfälle“ sei gering: Diese machten zum Beispiel nur etwa ein Zehntel der Radunfälle mit Personenschäden aus.

Und während ADAC-Öffentlichkeitsarbeiter Franke davon ausgeht, daß es „nicht immer die bösen Autofahrer und LKWs sind, die einen vom Rad schubsen“, liegen die Ursachen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes doch eher dort: Nur ein Drittel aller Unfälle, an denen Radler und Autofahrer beteiligt sind, werden von den Fahrradfahrern verursacht. Brummifahrer tragen sogar in beinahe drei Vierteln der Fälle Schuld daran, wenn sie in Unfälle mit Radfahrern verwickelt sind.

Und schließlich passieren diese nicht irgendwo: Kreuzungen sind am gefährlichsten für die Radfahrer, denn etwa die Hälfte aller Zusammenstöße ereigneten sich, wenn das andere Fahrzeug einbiegt oder kreuzt. Da lag selbst für die Mitarbeiter vom Statistischen Bundesamt, die sich mit Bewertungen meist zurückhalten, nahe, daß „Fahrradfahrer häufig beim Ein- und Abbiegen von Kraftfahrzeugführern übersehen“ werden.

Aus diesem Grund fordert der Fahrrad-Club ADFC bereits seit Jahren, daß Radwege künftig links der parkenden Autos angelegt werden sollten, damit diese die Sicht nicht verdecken. „Wir wollen uns ein Stück der Straße zurückerobern, von der wir systematisch verdrängt worden sind“, meint Axel von Blomberg, ADFC-Landesvorsitzender in Berlin. Radwege würden lediglich das Gefühl von Sicherheit vermitteln, „der Schutz endet spätestens an der nächsten Querstraße“. Breite Spuren, die optisch deutlich von der restlichen Fahrbahn abgetrennt sind, sollen ermöglichen, daß ein Fahrradfahrer den anderen gefahrenfrei überholen kann.

Zudem wollen die Radler künftig Einbahnstraßen gegen die eigentliche Fahrtrichtung benutzen dürfen: „Die meisten Einbahnstraßen sind so breit, daß Begegnungsverkehr problemlos ist“, so Stefan Brandtner vom ADFC-Landesverband Baden-Württemberg: „In Wohngebieten und Tempo-30-Zonen wäre dies ohne Gefährdung der Radfahrer möglich.“

Solche Vorschläge hört die Autolobby gar nicht gern, die Sicherheit nur über die Motorhaube hinweg bedenkt. Der Kölner Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes sieht die Rechtssicherheit der Autofahrer gefährdet: In einer Einbahnstraße müßten sie Gewißheit haben, daß ihnen niemand entgegenkommt. Der ADFC schlägt daher „unechte Einbahnstraßen“ vor: Auf der einen Seite verbietet dabei der rote Ring um einen weißen Kreis die Durchfahrt, ein Zusatzschild nimmt Radler von der Regelung aus. Und auf der anderen Seite steht einfach gar kein Schild. „Die Erfahrung hat gezeigt, daß selbst dann die Unfallgefahr gering ist, wenn Radfahrer verboten gegen die Einbahnstraße fahren“, so Ruth Steinacker vom ADFC-Bundesverband in Bremen: „Schließlich haben beide Sichtkontakt.“ Christian Arns

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