Nett in eigener Sache

■ Bilderbuchdänin Gitte auf Tour

Arme Gitte Haenning. Da singt sie seit beinahe vier Jahrzehnten, was ihre Stimme hergibt, und nun sitzt sie in einem Hamburger Hotel und muß sich in eigener Sache nett, freundlich und verbindlich geben. Die Dänin, seit kurzem mit dem Musicalmogul Fritz Kurz verbandelt, soll der Handvoll Medienarbeitern schon wieder erklären, warum sie in der Musikgattung Schlager singt, wo sie doch „eigentlich Besseres, beispielsweise Jazz“ singen könnte, wie ein Kollege eines Blattes aus dem Münsterländischen zu bedenken gibt.

Attraktiv sieht sie aus, eine schöne Frau von etwa Mitte Vierzig, ganz im Stil der postfeministischen Zeit in sachlichen Tweed gehüllt. „Ja, jedes Bild hat seine eigene Geschichte“, sagt sie zu ihrer neuen Produktion. Das hätten wir nicht gedacht, daß sie schon wieder so tut, als schöpfte sie aus Selbsterlebtem und -erlittenem.

Aber was soll sie machen? Die Journaille möchte sie gerne hören, die Stories einer Sängerin, die sich Anfang der achtziger Jahre als Sympathisantin frauenbewegten Gedankenguts („Ich will alles“) zu erkennen gab, die Geschichten einer Frau, die unterdrückt ist (Männer, immer die schlimmen Männer ...), die doch Komplizierteres zu trällern imstande wäre als nur das Liedgut für die Unterhaltungswellen. Ja, so sitzt sie da, durchaus höfliche Interessiertheit, tatsächlich aber mühsam kaschierte Langeweile ausstrahlend, und teilt mit: „Ich finde die Platte ganz schön. Oder was meinen Sie?“

„Liebster“ heißt das Erzeugnis und gehört zu den ödesten Produkten, die Gitte Haenning jemals auf den Markt gebracht hat. Aber sie hat es ja auch schwer: War sie in den fünfziger Jahren ein niedlicher Kinderstar in Dänemark, ein Jahrzehnt später (oft mit Rex Gildo) der Traum aller Schwiegermütter („Ich will 'nen Cow-howboy als Mann“), hatte sie schon in den siebziger Jahren ein sogenanntes Imageproblem. Daß sie auf dem Notenblatt einen Violinschlüssel von einem Fliegenschiß zu unterscheiden vermag, rechneten ihr die Feuilletons hoch an – das Publikum allerdings wollte von ihr Schlager, keine Bekenntnisse und kein Reifezeugnis: hier eine kleine Affäre im Hamburger Musikantenmilieu, dort eine gescheiterte Liaison in den bayerischen Voralpen. Wenigstens ihre Andrew- Lloyd-Webber-Adaptionen seit 1980 ließen ihre Kasse wieder klingeln: „Ich bin stark“.

Aber schon damals ließ sie wissen, daß die Texte sie eigentlich nicht interessieren: „Was ich privat mache, muß nicht in meine Songs fließen. Und umgekehrt.“ Die Frau gibt offen zu, daß sie singt, weil ihr Sparguthaben für tägliches Shopping einfach nicht ausreichen.

Will das Publikum es so genau wissen: daß eine Sängerin arbeitet? Möchte es eine Frau ohne Geheimnis abends bei einer Flasche Wein goutieren, wissend, daß die Interpretin selbst nicht das glaubt, was sie rein künstlerisch zu behaupten vorgibt? So wenig Authentizität ist dann auch wieder nicht das Richtige.

Am Ende nimmt sie auch noch die letzte Luft aus ihrem Luftballon: Nein, die Liebe mit Fritz Kurz wolle sie nicht nutzen, um in einer seiner Musicalproduktionen zu singen; die Verbindung sei rein privater Natur. So sitzt sie da, freundlich, eine Bilderbuchdänin, politisch korrekt, liberal, abgeklärt und zumindest öffentlich jeder Passion abhold: „Ich glaube, daß die Tournee ganz schön wird.“ Jan Feddersen

23.4. Berlin; 24.4. Hannover; 26.4. Düsseldorf; 27.4. Frankfurt; 28.4. Aschaffenburg; 29.4. Bamberg