Luftangriffe? Belgrad bleibt gelassen

■ Rest-Jugoslawien sieht sich in seiner Bosnienpolitik bestätigt

Belgrad (taz) – Nachdem die ganze Welt miterlebt hat, wie uneffektiv einzelne Schläge aus der Luft ohne Unterstützung durch Bodentruppen in Bosnien sind, lassen die erneuten Nato-Drohungen Belgrad kalt. Schließlich wissen nicht nur die westlichen Militärstrategen, daß kaum ein Land bereit sein dürfte, seine Bodentruppen in den bosnischen Krieg zu verwickeln. Was wundert es da, wenn Radikalenführer Vojslav Šešelj schon eine militärische Intervention Rest-Jugoslawiens in Bosnien für den Fall weiterer Nato-Angriffe fordert?

Der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić drohte gestern gar mit Vergeltungsschlägen. Er weiß, daß ein Bodeneinsatz zumindest den vorherigen Abzug der 28.000 derzeit in Bosnien stationierten Blauhelme voraussetzen würde. Hinzu käme ein neues Mandat des UN-Sicherheitsrates, das nach Belgrader Lesart dank russischer Unterstützung fernab aller Wahrscheinlichkeit liegt. Natürlich ist den Verantwortlichen in Belgrad klar, daß sie Moskau mit den Waffenstillstandsbrüchen bitter vorgeführt haben. Aber sie setzen auf die uneinheitliche Haltung Rußlands in der Bosnienpolitik, vor allem auf das starke rechte Lager in Moskau. Die Kontakte dorthin sind gut, gestern empfing der jugoslawische Bundesrat eine russische Parlamentsdelegation, Anfang Mai kommt Jelzins Angstgegner Wladimir Schirinowski.

Daß Belgrad bei den russischen Rechten so hoch im Kurs steht, hat seine Gründe: Die Serben haben eindrücklich belegt, daß sie kein Instrument in der russischen Außenpolitik sind, sondern im Gegenteil in Bosnien deren Grenzen bestimmen können. So verbuchen die Medien in der serbischen Hauptstadt das geplante Gipfeltreffen zwischen Jelzin und Clinton als Siegesmeldung auf den ersten Seiten. Nach Belgrader Interpretation dient das Meeting nämlich keinem anderen Zweck, als zu helfen, den Großmächten das Gesicht zu bewahren.

Hier zeigt sich, wie wichtig die Angriffe auf Goražde für die serbische Seite wirklich sind. Noch vor einigen Wochen schien es, als sei Belgrad durch den bosnisch-kroatischen Ausgleich ins Hintertreffen geraten. In Goražde aber konnten die Serben einen psychologischen Ausgleich erzielen – und einen strategischen Sieg erringen. Denn die UN-Schutzzone im Osten Bosniens war die letzte größere Stadt an der Drina, die noch nicht in serbischer Hand war. Nun geht es wohl nur noch um die Modalitäten der Evakuierung der 65.000 Einwohner. Karadžić sicherte gestern schon mal den sicheren Abzug der Verletzten zu. Karen Thürnau