: Haiti: Clinton für „totales Embargo“
Haitis Exil-Präsident Aristide erklärt US-Flüchtlingspolitik für „rassistisch“ / Prominente mobilisieren für Aristide und setzen Bill Clinton unter Druck – mit Erfolg ■ Aus Washington Andrea Böhm
Es war das erste Mal, daß Jean- Bertrand Aristide seiner Wut freien Lauf ließ. Die Flüchtlingspolitik der Clinton-Administration, so erklärte der haitianische Präsident in seinem Washingtoner Exil, sei erstens „zynisch“ und zweitens „rassistische Politik“, die sein Land in ein riesiges Konzentrationslager verwandele, in dem das Militär nach Belieben morden und foltern könne. Damit nicht genug: Während Aristide auf einer Pressekonferenz am Donnerstag seinem Gastgeber die Leviten las, ließen sich vor dem Weißen Haus sechs Kongreßabgeordnete, darunter Joseph Kennedy und der Vorsitzende der Gruppe schwarzer Parlamentarier, Kweisi Mfume, nach einer Protestaktion gegen die Haiti-Politik ihres Parteifreundes Bill Clinton von der Polizei festnehmen.
Dieses kleine Medienspektakel war die jüngste Aktion einer Kampagne von Politikern, Kirchenführern, Gewerkschaftern, Menschenrechtsorganisationen und Hollywood-Stars, die die Clinton- Administration zu einem Kurswechsel in der Haiti-Politik zwingen wollen. Mit Erfolg: Am Donnerstag ließ das Weiße Haus mitteilen, man werde nun in der UNO ein totales Handelsembargo gegen Haiti und seine Machthaber beantragen – eine Maßnahme, die bereits am 15. Januar hätte erfolgen sollen. Das derzeitige Ölembargo wird Berichten zufolge problemlos durch Nachschub aus der Dominikanischen Republik umgangen. Dies, so Kritiker der US-Administration, hätte Washington längst unterbinden können.
Doch in den letzten Monaten war immer deutlicher geworden, daß man sich im Weißen Haus mit dem Status quo abgefunden hat. Statt die Putschisten um Generalleutnant Raoul Cédras und Polizeichef Michel François unter Druck zu setzen, versuchte Lawrence Pezzullo, Sonderbeauftragter des US-Außenministeriums, in neuen Kompromißplänen dem gestürzten Präsidenten Aristide immer weitere Zugeständnisse abzuringen. Zudem meinte man in Washington, Zeit zu haben, solange die Küstenwache dafür sorgt, daß keine haitianischen Flüchtlinge die US-Küste erreichen.
Womit die Clinton-Administration nicht gerechnet hatte, war eine politische Kampagne in den USA. Ein offener Brief, in dem Clinton unter anderem eine rassistische Flüchtlingspolitik vorgeworfen wird, traf bereits Ende März im Weißen Haus ein und erschien als Anzeige in der New York Times. Zu den Unterzeichnern zählen prominente SenatorInnen und Mitglieder des Repräsentantenhauses, der leitende Direktor des „American Jewish Congress“, Henry Siegman, der Musiker Quincy Jones, die SchauspielerInnen Julia Roberts, Robin Williams, Danny Glover, Joanne Woodward und Paul Newman.
Wie schnell der öffentliche Druck in den USA auch in Haiti zu spüren ist, wird sich zeigen. Die Machthaber in Port-au-Prince sind angesichts der bisherigen US-Politik jedenfalls überzeugt, daß das Schicksal Jean-Bertrand Aristides als Exilant besiegelt ist. Die „Front for the Advancement and Progress of Haiti“ (FRAPH), eine paramilitärische Organisation mit engen Kontakten zu Michel François, hat ihre Terrorkampagne unter der haitianischen Bevölkerung verstärkt. In den Armenvierteln, wo die Loyalität zu dem gestürzten Präsidenten am größten ist, haben Todesschwadronen der FRAPH in den letzten Monaten zahlreiche Aristide-Anhänger ermordet, ihnen die Gesichtshaut abgeschnitten und die Leichen für jedermann sichtbar auf einen der Müllhaufen der „Cité Soleil“ geworfen, dem größten Slum der Hauptstadt. „Sie wollen mit aller Macht verhindern, daß aus der Volksbewegung noch einmal eine Führungspersönlichkeit hervorkommt“, erklärt Marx Aristide, mit dem Präsidenten nicht verwandter Sprecher der Exilorganisation „Haiti Reborn“. „Es wurde höchste Zeit, daß man der Clinton-Administration Feuer unterm Hintern gemacht hat.“
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