Kein Licht am Ende

■ Kanaltunnel: Eröffnung verzögert

Dublin (taz) – „Prima“, frohlockte der Sprecher der Reederei Sealink vorgestern. „Noch ein Sommer ohne Tunnel.“ Eurotunnel, die Betreiberin des Kanaltunnels zwischen England und Frankreich, mußte am Donnerstag die Inbetriebnahme des „Jahrhundertprojekts“ abermals verschieben. Der Eisenbahnverkehr wird in vollem Umfang nun erst im Sommer nächsten Jahres aufgenommen. Ab Oktober, also genau zum Ende der Hochsaison, fahren die Züge lediglich nach einem Rumpffahrplan.

Dennoch hält man an dem Termin für die offizielle Eröffnungsfeier fest: In knapp zwei Wochen treffen sich Königin Elisabeth und François Mitterand zum Stelldichein in der Mitte der Röhre. Danach dürfen vorerst „Meinungsmacher“ und die gebeutelten Aktionäre den Tunnel kostenlos ausprobieren.

Der Vorsitzende von Eurotunnel, Alastair Morton, begründete die erneute Verzögerung damit, daß sein Unternehmen eine „unerhörte Menge an Arbeiten“ durchführen mußte, nachdem man den Tunnel vom britisch-französischen Baukonsortium übernommen hatte. Natürlich steigen jetzt auch abermals die Kosten für das Projekt – auf 10,5 Milliarden Pfund. Das ist ungefähr das Doppelte der Summe, von der die Planer ursprünglich ausgegangen waren.

Alastair Morton rechnet damit, daß die Banken mehr als die Hälfte der zusätzlich benötigten 1,1 Milliarden Pfund vorstrecken werden. Der Rest soll durch die Ausgabe von Anrechtsscheinen an die Aktionäre zusammenkommen. Außerdem seien noch Forderungen von mehr als einer Milliarde Pfund gegen die britischen und französischen Eisenbahngesellschaften offen, da diese ihren Zeitplan nicht eingehalten hätten, sagte Morton. Sollte dieses Geld rechtzeitig eintreffen, müßte man wenigstens die Aktionäre nicht schon wieder zur Kasse bitten. Ralf Sotscheck