Die Panzerknackerin

■ Wie die Fotografin Waltraut Steimke den Leuten unter die Verkleidung guckt/ Eine neue Ausstellungsreihe im Cafe Grün

Schau' mir in die Augenringe, Kleiner... und Du wirst doch nicht schlau aus mir. Das Foto als Spiegel der Seele: Diese Vorstellung, ein Abbild des positivistischen Bildglaubens des vorigen Jahrhunderts, hat sich unter den aufgeklärten Fotografen und Fotografinnen natürlich längst erledigt. Und doch, und doch... bleibt der Reiz, mit dem Objektiv hinter die schön geschminkte Fassade zu sehen; der Reiz, mit einem porentiefen Blick ein Stückchen wahre Persönlichkeit ans Licht zu fördern. Daß es dabei stets nur um subjektive Wahrheiten gehen kann, demonstiert Waltraut Steimke mit ihrer Porträtfotografie: Je stärker sie ihren Modellen – sämtlich Kunstschaffende – auf die Pelle rückt, umso deutlicher kommen die Wunschbilder der Porträtierten - und der Fotografin selbst - zum Vorschein.

Steimkes Gesichter stehen am Anfang einer neuen Reihe, mit der das Cafè Grün „Positionen der Fotografie“ (so der Titel) in Bremen abstecken will. Porträts bilden da eine Ausnahme. Alles schon mal gesehen, alles ausprobiert? Waltraut Steimke will es doch nochmal aufs neue versuchen. Die „starre, festgelegte Form der Porträtfotografie“ und deren Standardsituationen hat sie während ihrer Lehre in einem Fotobetrieb kennengelernt. Bitte recht unfreundlich – oder zumindest so, wie es der Herr Studiofotograf sieht. „Ich sehe darin immer so eine kleine Nötigung, wenn die Fotografen versuchen, einen bestimmten Charakterzug aus den Leuten herauszukitzeln“, sagt Steimke.

Dennoch will auch sie in ihren Porträts ein bißchen was Charakteristisches enthüllen. Mehrere Wochen lang lud sie sich Bekannte in ihr provisorisches Atelier im Kubo. Im Laufe der Sitzungen „versuchte ich, sie zu bewegen, ihre ganze Aufmachung fallenzulassen“ – Schmuck, Klamotten, Schminke; sogar die Haare sollten zurückgesteckt werden. So tritt zwar nicht die ungeschminkte Wahrheit zutage. Was aber ein wenig sichtbar wird, ist die Beziehung zwischen beiden Beteiligten: das Spiel zwischen Inszenieren und Inszeniertwerden; die Art , wie die Künstlerinnen und Künstler sich auf die Situation einlassen, sich ein wenig öffnen – und dann lieber wieder verschließen. Die Künstlerin Edith Pundt war bereit, „auch ganz deutlich ihre Falten zu zeigen, und damit sieht sie sehr schön aus“; ihre Kollege Jimmi Päsler hingegen schützte sein zerknautschtes Gesicht mit beiden Händen. Senatorin Helga Trüpel kehrte dem Publikum den Rücken zu. Und die Künstlerin Marikke Heinz-Hoek legte am Ende der Sitzung doch wieder ihre Panzerung an: Schwarzes Leder, blinkende Nieten, wilde Mähne.

So verweigern auch Steimkes Fotos nähere Auskünfte über die Beteiligten. Was diese Reihe auszeichnet, ist der Rhythmus des Öffnens und Verschließens von Persönlichkeit, der sich beim Gang durch die kleine Ausstellung ergibt. In dichter Folge gehängt, wollen uns diese Bilder nicht mehr als die Außenansichten der Charaktere zeigen – und, wie sich diese ständig munter wandeln können.

Thomas Wolff Bis 21. 5. im Cafe Grün, Fedelhören 73; es folgen Ausstellungen u.a. von Cordula Schmidt, Joachim Fliegner und Katja Heddinga