"Dagobert" in der Glotze

■ Kaufhauserpresser offenbar von hohen Schulden zu seinen Taten getrieben / Prozeß möglicherweise in Hamburg

Der am vergangenen Freitag festgenommene Kaufhauserpresser „Dagobert“ wurde offenbar von großer Geldnot zu seinen Taten getrieben (die taz berichtete). Der 44jährige Arno Funke sei seit langem arbeitslos und hoch verschuldet gewesen, erklärte der Leiter der Sonderkommission „Dagobert“, Ulrich Tille. Dem gelernten Autolackierer werden fünf Anschläge auf Karstadt-Filialen zur Last gelegt, mit denen er 1,4 Millionen Mark zu erpressen versuchte. Er soll alle Taten gestanden haben. Auf sein Konto geht angeblich auch die Erpressung des KaDeWe 1988. Laut Soko-Chef Tille gab Funke die damals erbeuteten 500.000 Mark jedoch schnell aus. In einer Boulevardzeitung hieß es, Funke habe nur noch selten rechtzeitig die Miete für seine Wohnung in Tempelhof aufbringen können.

Am Samstag wurde gegen „Dagobert“ Haftbefehl wegen der „Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion“ am 6. Dezember 1993 auf ein Karstadt-Kaufhaus in Kreuzberg erlassen. Er sitzt jetzt in der U-Haftanstalt Moabit. Der Haftbefehl wird später vermutlich um die übrigen Tatbestände erweitert werden. Die Verteidigung Funkes hat der Ex-Honecker-Anwalt Wolfgang Ziegler übernommen. Unklar ist noch, ob Funke in Berlin bleibt oder nach Hamburg überführt und dort vor Gericht gestellt wird. „Nachdem er auch die Berliner KaDeWe-Erpressung gestanden hat, könnte ihm auch in Berlin der Prozeß gemacht werden“, meinte ein Hamburger Polizeisprecher gestern. Die Entscheidung soll zu Wochenbeginn gefällt werden.

Soko-Chef Tille legt Wert auf die Feststellung, daß die gescheiterten Geldübergabeversuche nicht aufgrund von Polizeipannen fehlgeschlagen sind, sondern Teil einer bewußten Taktik der Fahnder waren. „Dagobert“ sollte „besser über einen perfekteren Plan (zur Übergabe des Geldes) nachdenken, statt eine weitere Bombe zu legen“, sagte Tille. „Wir haben niemals ernsthaft erwogen, ihm Geld zu zahlen, nur damit wir Ruhe haben.“ Allerdings sei bei jedem Übergabeversuch „eine der möglichen Alternativen gewesen, daß er sein Geld bekommt“. Mehrmals hatte Funke statt der geforderten Millionensumme lediglich Papierschnipsel erhalten. Bei einem Übergabeversuch hatte ein Beamter „Dagobert“ am Kragen erwischt. Ob es auch zur Polizeitaktik gehörte, daß der Polizist danach auf Hundekot ausrutschte und „Dagobert“ entwischen konnte, ließ Tille offen.

„Dagobert“ war am Freitag an einer Telefonzelle in Treptow von einem Mobilen Einsatzkommando (MEK) gefaßt worden, als er erneut telefonisch eine Geldforderung stellte. Zuvor hatte die Polizei ihn mehrere Stunden lang observiert. Auf die Spur von „Dagobert“ waren die Ermittler am Mittwoch gekommen, als ihnen im Südosten Berlins ein Mietwagen auffiel, in dem ein Mountainbike lag, wie es „Dagobert“ immer wieder zur Flucht benutzt hatte. Der Mietwagen war ursprünglich bis Donnerstag gemietet gewesen. Dann war die Mietzeit bis Samstag verlängert worden. Diese Zeiträume stimmten mit den angekündigten und verschobenen Geldübergabeterminen überein. Nach einem Vergleich mit Zeugenaussagen war die Observierung des Autobenutzers angeordnet worden. Zugleich wurde „Dagobert“ veranlaßt, erneut Kontakt aufzunehmen. Am Freitag fuhr der Automieter in den Südosten Berlins, wo „Dagobert“ schon häufiger aktiv war. Um 10.14 Uhr rief er von einer Zelle in Treptow aus Karstadt in Hamburg an. Darauf nahm ihn das MEK fest. Er soll sofort eingeräumt haben, der gesuchte „Dagobert“ zu sein.

Freitag abend hatte „Dagobert“ in der „Tagesschau“ seinen letzten großen Auftritt. Das kurze Interview nach seiner Festnahme vor dem Büro der Sonderkommission war durch einen großen Zufall zustande gekommen: Eigentlich hatte das ARD-Team nur einen lange vorher mit den Fahndern vereinbarten Gesprächstermin wahrnehmen wollen. dpa/taz