Nagel bringt Etat durcheinander

■ Bausenator Wolfgang Nagel fordert 140 Millionen Mark für das Ausbaggern von Betonresten unter dem Tiergarten

Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) versucht während der laufenden Haushaltsberatungen für sein Ressort überraschend zusätzliche 140 Millionen Mark heraushandeln. Dieser Betrag sei für das Entfernen unterirdischer Bauwerke im Tiergarten nötig. 10 Millionen Mark müßten sofort und weitere Millionenbeträge „je nach Baufortschritt“ bereitgestellt werden, heißt es in einem Schreiben an das Abgeordnetenhaus. Der Rest soll im Doppelhaushalt 1995/96 berücksichtigt werden.

Die Bauwerke unter dem Tiergarten müssen entfernt werden, weil sie die in Nord-Süd-Richtung gelegenen Neubauten des Auto-, Eisenbahn- und U-Bahn-Tunnels behindern. Im Bereich des Spreebogens müssen die drei Tunnel spätestens Ende 1997 fertiggestellt sein, weil dann über der Erde mit dem Bau des Regierungs- und Parlamentsviertels begonnen werden soll. Kommt es zu Verzögerungen, kann der Umzugstermin der Bundesregierung nicht gehalten werden. Entfernt werden müssen Reste eines alten U-Bahn-Tunnels, einer unterirdischen Umleitung für die Spree und eines ehemals offenen Grabens, der wahrscheinlich mit Kriegsmaterial zugeschüttet ist. Die Bauwerke hatte Hitlers Architekt Albert Speer angelegt, der im Spreebogen die „Halle des Volkes“ bauen wollte. Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges konnten die Arbeiten im Tiergarten nicht fortgesetzt werden.

Die Bauverwaltung will den in den dreißiger Jahren angelegten U-Bahn-Tunnel bis November dieses Jahres entfernen. Der zugeschüttete Graben sowie die unterirdische Spreeumleitung sollen bis Juli 1995 ausgegraben sein. In dem Schreiben an das Parlament, das die haushaltspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Michaele Schreyer, öffentlich gemacht hat, warnt Bausenator Nagel ausdrücklich davor, daß von den „vorläufig geschätzten“ 140 Millionen Mark nur die Ausgrabungen im Bereich der heute geplanten Auto-, Eisenbahn- und U- Bahn-Tunnel bezahlt werden können. Da die Grundstücke sowohl dem Land Berlin wie auch dem Bund gehören, werde derzeit von Gutachtern geklärt, inwieweit sich der Bund an den Kosten beteiligen muß.

Michaele Schreyer bezeichnete nach Nagels Vorstoß den vom Senat beschlossenen Nachtragshaushalt, durch den im laufenden Jahr 1,3 Milliarden Mark eingespart werden sollen, als Makulatur. Die „Tunnelorgie“ sei ein unkalkulierbares Finanzrisiko. „Die Stauröhre unter dem Tiergarten wird die Berliner über eine Milliarde Mark kosten.“ Dirk Wildt