■ Press-Schlag
: Unbegründeter Rinderwahnsinn

Hallo! Aufwachen! Ist doch noch gar nichts passiert, liebe Lauterer. Na gut, für den UEFA-Cup seid ihr jetzt qualifiziert, aber damit war doch nach den letzten Erfolgen sowieso zu rechnen. Deutscher Meister seid ihr hingegen wirklich noch nicht, schaut mal auf die Tabelle. Warum stürmt ihr also nach dem ausgesprochen mühseligen 2:0 in Wattenscheid ausgelassen über die Zäune, jagt auf dem Rasen euren Helden nach, reißt ihnen die Trikots vom Leibe und belagert hinterher sogar noch die Umkleidekabine? Kam doch kein Mensch mehr raus! Und wer sich traute, wurde von euch schon wieder zersaust und dann völlig unlogisch gefeiert. „Kuka ist der beste Mann der Welt!“ habt ihr zunächst gesungen, und dasselbe beim Auftauchen von Ehrmann, Sforza und Brehme. Dann wolltet ihr den Bus mit den Spielern nicht wegfahren lassen, sondern weiter mit Sforza singen. Der hat euch vom Dach des Busses aus natürlich auch prima dirigiert. Habt ihr ihm übrigens verziehen, daß er euch mit dem Schampus abgeduscht hat?

Oder waren die Luftsprünge am Freitag abend in Wattenscheid gar kein Fall von kollektivem Rinderwahnsinn, sondern ein historisches Zitat? Wolltet ihr „Köln 1991“ herbeijubeln? Damals, als Kirchheimbolanden, Kusel, Otterbach und Rockenhausen leerstanden, weil sich die gesamte Pfalz ins Müngersdorfer Stadion aufgemacht hatte. Das war ein wirklich großer Auftritt beim 6:2-Sieg und dem Gewinn der Meisterschaft. Nach jenem Tag hatte sich die Fußballnation entschieden, daß ihr am besten jubeln könnt und daher die Meisterschaft auch verdient hattet. Versucht ihr das schon wieder? Steht ihr in zwei Wochen also mit 40.000 Mann beim HSV auf der Matte?

An eurer Mannschaft hat sich in der Zwischenzeit so toll viel auch nicht geändert, auch wenn das Personal fast komplett ausgetauscht worden ist. Aber weil die Bundesliga so schlecht ist, wie sie ist, könnte das mit dem Hauruck-Fußball plus dem technischen Ornament der Herren Sforza und Kuka vielleicht wieder klappen. Auf der Trainerbank sitzt mit Friedel Rausch genauso ein Proll-Grandseigneur aus dem Kohlenpott, wie das dereinst Kalli Feldkamp war. Friedel Rausch ist sogar fast noch ein wenig selbstgefälliger. Der nette Herr Thines ist auch noch Präsident, und damit habt ihr hintenrum irgendwie auch wieder den Segen der Kirche. Da hat der früher doch gearbeitet.

Vielleicht ist euer aktueller Aufschwung auch der erste Vorbote aufs Finale des Superwahljahrs, mit dem großen Duell Kohl gegen Scharping, mithin Pfalz gegen Pfalz. Aber welche Rückschlüsse können wir daraus ziehen? Welchen Weg weist uns das? Sollte vielleicht doch besser Bayern München Deutscher Meister werden? Christoph Biermann