Vor dem letzten Flug eines Aufklärers

Der beste Termin, dieses Foto zu zeigen, wäre der 31. Juli. Da jährt sich nämlich zum 50. Mal der Tag, an dem Antoine de Saint- Exupéry zu einem Aufklärungsflug aufbrach, von dem er nicht zurückkehrte. Der Life-Fotograf John Phillips hatte sich bei den amerikanischen Stellen dafür eingesetzt, daß Saint-Exupéry noch einmal – trotz seiner 43 Jahre und mangelnder Erfahrung mit den modernsten Maschinen – im Dienste der Alliierten fliegen dürfe. Nach langem Drängen schlug man ihn der Staffel von Oberst Gavoille zu, stationiert auf Sardinien und mit der fotografischen Aufklärung im Vorfeld der alliierten Invasion beauftragt.

Man sollte das Bild des Schriftstellers, der auf dem Sprung ist, sich an einem Krieg zu beteiligen, den er selber einen „würdevollen“ nannte, aber lieber heute betrachten – in diesen Tagen, in denen der Bürgermeister der ostbosnischen Stadt Goražde, Ismet Briga, die Nato aufgefordert hat, seine Stadt dem Erdboden gleichzumachen, um ihre Agonie zu verkürzen.

Es könnte in bewegten Zeiten wie diesen ja durchaus sein, daß Ende Juli, zum Todestag des Dichters und Piloten Antoine de Saint- Exupéry, dieser Kontext schon untergegangen und vergessen ist – mit den verzweifelten Menschen von Goražde, die heute schon aufgehört haben, auf seinesgleichen zu hoffen. Text: jl

Foto: „Dichter und Pilot Antoine de Saint-Exupéry. Fotografien von John Phillips“. Mit Texten von A. de S.-E., John Phillips, Charles-Henri Favrod. Scalo Verlag, 90 S., geb., 180 Abb., 48 DM