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Läßt sich Leo Kirch rückführen?

■ RTL-Chef Thoma zog Bilanz und kräftig vom Leder

Weckt Silvio Berlusconis Wahlsieg in Leo Kirch den Italiener? Für RTL-Chef Helmut Thoma zeigt der Wahlerfolg des italienischen Medienzaren jedenfalls, „wie man durch ungezügelte Medienmacht über Nacht Ministerpräsident werden kann“.

Seine düstere Vision präsentierte der RTL-Boß anläßlich der Bilanzpressekonferenz seines Senders in Köln. Dabei glaubt er nicht an persönliche Ambitionen Kirchs auf Helmut Kohls Regierungssessel. Gleichwohl sei die Medienmacht des Filmhändlers, der beim Axel Springer Verlag das Sagen hat und Sat.1, Pro 7, das Deutsche Sportfernsehen sowie den Kabelkanal beherrscht, weitaus größer als das Imperium seines italienischen Kompagnons. Dabei sei Berlusconi zu Beginn seiner Karriere im Vergleich zu Kirch „ein armer Wicht“ gewesen, meinte Thoma. Um so schlimmer sei das bei uns fehlende öffentliche Bewußtsein über die Gefahren der Medienkonzentration.

Die Ahnungen der RTL-Kassandra vertragen sich allerdings nur schlecht mit dem Bilanzergebnis des Kölner Senders. „Wir sind Marktführer und werden es auch in diesem Jahr bleiben“, verkündete der RTL-Chef. Fast 19 Prozent aller Zuschauer ließen sich im vergangenen Jahr von seinem Sender berieseln, während ARD, ZDF und Sat.1 auf die Plätze verwiesen wurden. Im letzten Monat rangierte RTL mit rund 20 Prozent noch weiter vor den Verfolgern. Vor allem bei den sechs- bis 49jährigen sind die Kölner mit Abstand das beliebteste Programm.

Dieser Publikumserfolg machte RTL auch zum unangefochtenen Spitzenreiter bei den Werbeeinnahmen: Finanzchef Esser präsentierte den Bruttoumsatz von 2,4 Milliarden Mark, 27 Prozent mehr als 1992. Aber auch RTL stößt an Wachstumsgrenzen, „in diesem Jahr werden es nur fünf Prozent mehr werden“. Nicht nur die allgemeine Rezession, sondern auch die massiven Rabatte der Konkurrenz machen dem Sender zu schaffen.

Trotz aller Widrigkeiten ergab das letzte Jahr immerhin einen Nettogewinn von rund 90 Millionen Mark. Dieses Jahr soll es genausoviel werden. Wegen der 260 Millionen Mark Anfangsinvestitionen schreibt der Sender aber erst in seinem zehnten Jahr schwarze Zahlen. Ungeachtet der unsicheren Zukunft will RTL in diesem Jahr über 900 Millionen Mark für Neuproduktionen ausgeben, dabei werden fast zwei Drittel des Etats außerhalb des Senders ausgegeben. Sportveranstaltungen sind laut RTL-Prognosen in diesem Jahr mit 10.000 Mark pro Sendeminute zu veranschlagen, das Teuerste. Spielfilme und Kaufserien kosten zwischen 1.400 und 1.900 Mark pro Minute.

Womit wir wieder bei Thomas Lieblingsfeind, Leo Kirch, angelangt wären. Während RTL selber produziere, könne Kirch seine finanziell längst abgeschriebenen TV-Konserven in den verschiedenen Sendern seiner Kette abnudeln, wetterte der RTL-Chef. Im Ausland wäre es völlig undenkbar, daß ein Programmlieferant wie Kirch gleichzeitig über TV-Sender herrschen und außerdem noch im Pressemarkt mitmischen dürfe. Thoma forderte politisches Eingreifen, „ich weiß allerdings auch nicht, wie dies heute noch zurückgedreht werden kann“.

Ob Bertelsmann oder Kirch, jeder habe seine politischen Fürsprecher. Die letzte Chance zur Verhinderung ungezügelter Medienmacht sieht der RTL-Chef daher im Bundesverfassungsgericht. Dies muß demnächst über eine Klage zwischen den Kontrollanstalten Berlin-Brandenburgs und Bayerns entscheiden. Hier biete sich, so Thoma die letzte Chance, eine Klärung über die Konzentration herbeizuführen. Philippe Ressing

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