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Hanau: Das Plutonium liegt auf der Halde

■ Stromwirtschaft will die stillgelegte MOX-Fabrik nicht wieder in Betrieb nehmen Die Produktion von Mischoxyd-Brennelementen soll ins Ausland verlegt werden

Frankfurt/Main (taz) – Eine „bittere Entscheidung und schlimmes Ergebnis“ der Politik sei das, fand der Fraktionsvorsitzende der CDU im hessischen Landtag, Roland Koch. Die deutsche Atomindustrie ließ am Freitag nachmittag durch den Vorsitzenden des Fachausschusses Kernenergie der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW), Karl Stäbler, mitteilen, sie wolle die nach einem Unfall vor drei Jahren stillgelegte Fabrik für Mischoxyd-Brennelemente (MOX) in Hanau nicht wieder in Betrieb nehmen.

Das „knallharte Vorgehen“ des grünen Umweltministers Fischer werde nicht nur die „Vernichtung“ von rund 200 Arbeitsplätzen zur Folge haben, schimpfte der Landespolitiker am Wochenende. Die „Blockadepolitik“ der Landesregierung habe auch dafür gesorgt, daß Plutonium in den Mischoxyd-Elementen nicht mehr „unschädlich gemacht“ oder „sinnvoll verwendet“ werden könne.

Doch überraschen kann den Christdemokraten die Entscheidung der Firma Siemens und ihrer Kunden nicht. Auch Parteifreund Klaus Töpfer begrüßte in Bonn den Beschluß – neben der noch unter dem Skandal-Namen „Nukem“ gebauten Anlage steht ein fast fertiges, neues MOX-Werk. Darauf werde sich Siemens nun konzentrieren, meint der Bundesumweltminister. Auch die Energieversorger wollen an der MOX-Produktion festhalten. Bislang galten Kernbrennstäbe, die neben Uran auch Plutonium aus der Wiederaufbereitung enthalten, als Entsorgungsweg für den Atombombenstoff. Nur sei die seit 1991 andauernde Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft der Altanlage in Hanau „wirtschaftlich nicht länger vertretbar“, klagt Verbandssprecher Stäbler. Jahr für Jahr habe man dafür rund 100 Millionen Mark hinblättern müssen.

Für Verbitterung hat offenbar gesorgt, daß der Bundesumweltminister in diesem Fall nicht mit einer Weisung an Fischer zur Hand ging. Fischers „ausstiegsorientierter Gesetzesvollzug“, so Stäbler, lasse Töpfers Weisungskompetenz zur „stumpfen Waffe“ werden.

Klaus Töpfer ist kein Dummkopf. An der MOX-Altanlage jedenfalls, so die Überzeugung von Joschka Fischer, hätte er sich die Finger verbrannt. Fischer: „Eine Wiederinbetriebnahme der Anlage wäre wegen der Sicherheitsbedenken und der rechtlichen Probleme nicht möglich gewesen.“ Für Sozialdemokraten und Bündnisgrüne nicht nur in Hessen ist die MOX-Technik weder ökologisch noch ökonomisch vertretbar. Sie diene lediglich dazu, die Legende vom sogenannten Brennstoffkreislauf aufrechtzuerhalten.

Auch die neue MOX-Fabrik kann seit der Klage der sechsjährigen Clara Diez aus Hanau gegen die „sicherste Anlage der Welt“ (Koch/CDU) vor dem Hessischen Oberverwaltungsgericht nicht in Betrieb genommen werden. Vor Jahresfrist hatten die Verwaltungsrichter mehrere Teilerrichtungsgenehmigungen wiederaufgehoben. Entscheiden muß nun das Bundesverwaltungsgericht in Berlin – selbst nach optimistischen Schätzungen in vielleicht zwei Jahren.

Rund 1,1 Milliarden Mark hat der Neubau bislang gekostet. Deshalb, so Eduard Bernhard vom BBU und der Hanauer Initiative Umweltschutz (IUH), gebe es „noch keinen Anlaß zum Jubeln“. „Wir werden mit der Inbetriebnahme von MOX-neu zu rechnen haben, denn die investierte Summe ist zu gewaltig, als daß sie die Investoren einfach in den Wind schreiben werden.“ Schon heute streiten sich die EVUs mit Siemens um die Abbruch- und Entsorgungskosten für die MOX-Altanlage.

Zunächst aber sollen die 10 Tonnen Plutonium, die dort verarbeitet werden sollten, „im Ausland“ zu MOX-Brennelementen verarbeitet werden. Schon hat Belgonucleaire eine Erweiterung ihrer MOX-Fertigungskapazitäten in Dessel beantragt. Statt bislang 35 Tonnen Plutonium pro Jahr will der belgische Konzern 70 Tonnen verarbeiten. Doch auch in Belgien wird die Inbetriebnahme der Neuanlage durch eine Gerichtsentscheidung verzögert, wie Mitglieder von Greenpeace Belgien am vergangenen Montag im Europaparlament von Straßburg berichteten. Belgonucleaire – die Firma gilt als größter MOX-Produzent der Welt – sei „in die Bredouille geraten“. Denn mit Siemens seien bereits entsprechende Abnahme- und Rücklieferungsverträge abgeschlossen worden. Klaus-Peter Klingelschmitt

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