Grüne „Westblockade ist gescheitert“

Grüne Westmänner wollten auf Berliner Landesparteitag Quote für Bündnis 90 kippen / Knapp am Eklat vorbei / Bürgerrechtler Poppe auf Bundestagsliste, AL-Gründer Ströbele draußen  ■ Aus Berlin Dirk Wildt

Die Berliner Partei Bündnis90/ Die Grünen ist auf ihrem Landesparteitag am vergangenen Wochenende nur knapp einem Desaster entgangen. Bürgerrechtler Gerd Poppe, vom Bündnis 90 für Platz zwei auf der Bundestagsliste nominiert, hätte beinahe die nötige absolute Mehrheit verfehlt – nur drei Stimmen gaben den Ausschlag. Der Bundestagsabgeordnete ist aufgrund seiner Äußerungen zu Nato und Bundeswehr sowie zu militärischen Auslandseinsätzen umstritten. Poppes Kandidatur galt als Nagelprobe für ein erfolgreiches Zusammenwachsen von Ost und West. „Wir sind haarscharf an einer Katastrophe vorbeigeschrammt“, kommentierte der Vorsitzende der Berliner Abgeordnetenhausfraktion, Wolfgang Wieland, das Ergebnis erleichtert, „die Westblockade ist gescheitert.“ Landesgeschäftsführer Michael Wartenberg (Bündnis 90) meinte gar: „Das ist ein erstaunlicher Sieg der Realos.“

Bevor am Samstag die Vollversammlung der über 400 Mitglieder ihre Kandidaten für den Bundestag wählte, hatten bereits ehemalige Mitglieder der Alternativen Liste (AL) versucht, den Minderheitenschutz für das Bündnis 90 zu kippen. Die rund 300 Ostberliner hatten bei ihrer Vereinigung mit den Westberliner Grünen im vergangenen Jahr darauf bestanden, daß die Liste für die Bundestagswahl paritätisch besetzt wird.

Faktisch bedeutete der damalige Beschluß zusammen mit der Frauenquote, daß grüne Westmänner am vergangenen Samstag nicht auf den aussichtsreichen ersten drei Plätzen kandidieren konnten. Deshalb stellten Wessis einen Antrag zum Wahlverfahren. Die Kandidatur des „ausgequoteten“ 54jährigen Christian Ströbele, Gründungsmitglied der Grünen, wäre auf den ersten drei Plätzen ermöglicht worden. Doch die Wessis konnten sich nicht durchsetzen, weil ihr Vorschlag wiederum die „Abwicklung“ der Bündnis-Männer bedeutet hätte. Ströbele tritt jetzt als Direktkandidat in Berlin- Kreuzberg an.

Auf dem Landesparteitag kam es nur bei zwei Personen zu kontroversen Debatten. Poppe, der sich schon in der DDR für die Einhaltung der Menschenrechte eingesetzt hatte, wurde angegriffen, weil er angeblich die Nato zum „militärischen Arm“ einer politisch gestärkten Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa machen will. Diese Vorstellung steht im Widerspruch zu dem Nato-Beschluß des Bundesparteitags in Mannheim, der einen Ausstieg aus dem Militärbündnis vorsieht. Am Wochenende präsentierte sich Poppe eher auf Parteilinie. Er sei für den Abbau militärischer Bündnisse und habe sich immer gegen Out-of-area-Einsätze ausgesprochen.

Die vom Unabhängigen Frauenverband (UFV) nominierte Kanidatin Christina Schenk (41), die auf der offenen Liste kandidierte, sorgte für Diskussionen, weil sie einen Gesetzentwurf zur Gleichstellung von Mann und Frau nicht sorgfältig ausgearbeitet haben soll. Ihr wurde außerdem vorgeworfen, sie habe es als Bundestagsabgeordnete versäumt, frauenpolitische Reden zu halten. Hintergrund der formalen Kritik war offenbar die Schwierigkeit mit Schenks feministischen Positionen. Schenk wiederum warf der achtköpfigen Bundestagsgruppe vor, mit ihren Kompromissen in der Auseinandersetzung um die Streichung des Paragraphen 218 in die Nähe von SPD- Positionen gerückt zu sein. Die UFV-Kandidatin unterlag auf Platz eins gegen die ehemalige Kreuzberger Baustadträtin Franziska Bohlig-Eichstädt (52 Jahre) und auf Platz drei gegen Andrea Fischer (34).

Siehe Kommentar Seite 10