■ Eishockey
: Die NHL spielt Russisches Roulette

Berlin (taz) – „Wenn meine Jungs immer soviel Einsatz zeigen würden wie gegen die Rangers, dann könnten wir locker den Stanley Cup gewinnen“, hatte Al Arbour, der Trainer der New York Islanders, vor dem Beginn der Playoff-Serie der nordamerikanischen Profiliga NHL gegen ebenjene New York Rangers gesagt. In dieser Saison hatten die Islanders in ihrem Nassau Veteran Memorial Coliseum, von den Fans stolz „Fort Neverlose“ genannt, kein Match gegen den Lokalrivalen mit seinem verdienten Torjäger Mark Messier verloren. In den Playoffs ging es im U-Bahn-Derby jedoch Schlag auf Schlag. Mit 0:4 Niederlagen wurden die Islanders unverhofft rasch in den Urlaub geschickt, das letzte Match verloren sie just im Fort Neverlose mit 2:5. „Wir haben uns eigentlich selbst besiegt. Viele Tore waren Geschenke“, ärgerte sich Islanders-Verteidiger Uwe Krupp, Coach Al Arbour mußte zugeben: „Die Rangers haben uns überrollt.“

Ebenfalls aus dem Rennen um den Stanley Cup sind die St. Louis Blues, die gegen die aus Minnesota nach Dallas abgewanderten „North Stars“ mit 0:4 den kürzeren zogen. Die nördlichen Sterne aus dem tiefen Süden siegten im vierten Spiel mit 2:1. Dabei hatte sich St. Louis extra für die Playoffs mit dem alten Haudegen Igor Kasatonow und dem 37jährigen Peter Stastny, der im Februar noch im slowakischen Team bei Olympia glänzte, verstärkt.

Neben den neuen Mannschaften aus warmen Gefilden und der Torrekordjagd des Wayne Gretzky waren es vor allem die Europäer, die die reguläre NHL-Saison prägten. Während die Florida Panthers nur um einen einzigen Punkt die Qualifikation für die Playoffs verpaßten, hatten es die San José Sharks vor allem ihren russischen Importen Sergej Makarow und Igor Larionow, dem einstigen Supersturm der sowjetischen Nationalmannschaft, zu verdanken, daß sie sich auf Anhieb für die Endrunde qualifizierten und nicht nur die Edmonton Oilers, sondern auch den Finalisten des Vorjahres, Gretzkys Los Angeles Kings, hinter sich ließen. Auch die Serie gegen die hochfavorisierten Detroit Red Wings ist keineswegs entschieden. Durch einen 4:3-Sieg glich San José zum 2:2 aus.

Das Tor der Sharks hütet der Lette Artur Irbe, der mittlerweile zu den besten NHL-Keepern gezählt wird. Überhaupt ist es das Jahr der europäischen Keeper. Nach harten Lehrjahren in Chicago hat der Tscheche Dominik Hasek bei den Buffalo Sabres seinen Ruf als bester Goalie Europas inzwischen bestätigt, bei den Philadelphia Flyers ist der Schwede Tommy Söderström die klare Nummer eins, und dem Polen Peter Sidorkiewicz haben die New Jersey Devils erheblich zu verdanken, daß sie im Osten als drittbestes Team abschnitten. Innerhalb von zwei Jahren ist der Anteil europäischer Spieler in der NHL von 12 auf 19 Prozent gestiegen, und das Fachblatt Sporting News klärte seine Leser über die in Umlauf befindlichen Vorurteile gegenüber europäischen Spielern auf: „Europäer können keine verantwortlichen Positionen in einer nordamerikanischen Mannschaft einnehmen? Bah, Humbug! Was wäre Detroit ohne seinen Torjäger Sergej Fedorow, Vancouver ohne Pavel Bure oder Buffalo ohne Alexander Mogilny?“ Und die Zeitschrift schlußfolgert: „Wer glaubt, auf (ost-)europäische Spieler verzichten zu können, spielt Russisches Roulette.“Matthias Kittmann