Ruanda: Tausende Tote

■ Die Massaker reißen nicht ab

Nairobi/Bujumbura (AP/AFP) – Die seit knapp drei Wochen in Ruanda wütenden Kämpfe sind gestern mit großer Grausamkeit weitergeführt worden. Die Rebellen der „Patriotischen Front Ruandas“ (RPF) und die Regierungstruppen lieferten sich Gefechte in der Hauptstadt Kigali, wo die RPF offenbar immer mehr an Boden gewann. Die Versuche der Regierungstruppen, sich gegen die RPF zu behaupten, seien vergeblich, sagte ein UNO-Sprecher: „Die Soldaten reagieren nur noch.“ Ein Rundfunksender, der von zwei extremistischen Hutu-Parteien kontrolliert wird, rief zu Massakern an der Zivilbevölkerung auf. Mit Macheten und Gewehren bewaffnete Banden der Bevölkerungsmehrheit der Hutu zogen den Angaben zufolge durch die Straßen und töteten wahllos Angehörige der Tutsi- Minderheit, die die RPF dominiert.

Der UNO-Sprecher in Kigali, Abdul Kabia, sagte in einem Telefoninterview, er erhalte „beunruhigende Berichte“ über zahlreiche Massaker auf dem Land. Vor allem im ruandisch-burundischen Grenzgebiet ab. Unter den zwei Millionen Ruandern, die aus dem Norden und Osten in die Gegend um Butare geflohen seien, habe es nach Schilderungen von kirchlichen und privaten Hilfsorganisationen Tausende Tote gegeben. Im Grenzfluß sahen die MSF-Ärzte zahlreiche Leichen. In einem Krankenhaus in Butare verschleppten und töteten nach Angaben der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ Angehörige der ruandischen Präsidialgarde 170 Menschen, darunter auch das Klinikpersonal. Die Organisation zog daraufhin ihre Leute aus dem Gebiet ab.

Ob das Angebot der RPF noch gilt, ab Dienstag eine Feuerpause in Kraft zu setzen, war zunächst unklar. Die RPF hatte die Waffenruhe mit der Bedingung verknüpft, daß die Regierungstruppen in den von ihnen kontrollierten Gebieten keine Massaker mehr verübten. Eine Delegation der nach Zaire geflohenen ruandischen Regierung verkündete im Osten Zaires ihrerseits eine einseitige Waffenruhe. Wie der staatliche Rundfunk am Montag in Kinshasa berichtete, erfolgte die Ankündigung nach Gesprächen der Regierungsdelegation mit dem zairischen Staatschef Mobutu.

Im Nachbarland Burundi scheiterte unterdessen ein Putschversuch rebellierender Fallschirmjägereinheiten. Das Militär in Burundi wird von der Minderheit der Tutsi dominiert, die bis zu den ersten freien Wahlen im Juni 1993 das Land regierten und seitdem versuchen, mit allen Mitteln die Macht wiederzuerlangen. Die Fallschirmjäger versuchten nach den Worten eines Militärsprechers, Übergangspräsident Sylvester Ntibantunganya zu stürzen. Sie hätten aber nicht genügend Unterstützung bei ihren Kameraden gefunden und seien geflüchtet. Vier Offiziere der von Tutsi dominierten Einheiten seien inzwischen festgenommen worden. Im Norden der Hauptstadt Bujumbura lieferten sich am Montag Einheiten der Streitkräfte und Hutu-Milizen heftige Kämpfe.