Selbstgerechte Industrieländer

■ Beim Treffen der G 7 herrschte allgemeiner Optimismus über die Entwicklung der Weltwirtschaft / Vage Hilfszusagen an Rußland / Entwicklungsländer fordern stärkere Unterstützung der Reformen

Washington/Berlin (AP/dpa/ taz) – Selbstzufrieden äußerten sich die Teilnehmer des Treffens der sieben wichtigsten Wirtschaftsnationen (G 7). Die Finanzminister und Notenbankchefs der Bundesrepublik, der USA, Japans, Kanadas, Großbritanniens, Frankreichs und Italiens waren am Sonntag im Vorfeld der IWF- und Weltbanktagung in Washington zusammengekommen, um sich über die Aussichten der Weltwirtschaft und den Reformprozeß in Rußland auszutauschen. Auch der stellvertretende Ministerpräsident Rußlands, Alexander Schochin, war mit von der Partie.

Das Fazit, das die Teilnehmer am Ende des Treffens der Presse mitzuteilen hatten: Alles in Butter. Die Wirtschaft wächst, die Inflation ist unter Kontrolle. Ob angesichts solcher Aussichten auch das Millionenheer der Arbeitslosen zu Optimismus Anlaß hat, darüber schwiegen sich die Herren aus.

Insbesondere die deutschen Teilnehmer übten sich nicht in Bescheidenheit. Finanzminister Theo Waigel verkündete, daß der IWF unrecht habe mit seiner Prognose über das deutsche Wirtschaftswachstum. Statt um 0,9 Prozent werde die Wirtschaft 1994 um ein bis 1,5 Prozent wachsen. Damit wischte er Forderungen seitens der USA beiseite, Deutschland solle zwecks weltweiter Konjunkturankurbelung seine Zinsen senken.

Von den Japanern hatte der US- Finanzminister Lloyd Bentsen verlangt, sie sollten mehr tun, um ihre Nachfrage zu forcieren, damit mehr ausländische Produkte, namentlich aus den USA, nach Japan geliefert werden können. Doch konkrete Zusagen gab es am Ende des Treffens von keiner Seite. Japans Finanzminister Hirohisa Fujii bekräftigte jedoch, die Wirtschaftsreformen in Japan würden unter der neuen Regierung unter Tsutomu Hata fortgesetzt.

Zufriedenheit bekundeten die Finanzminister und Notenbankchefs auch mit dem Fortgang der Wirtschaftsreformen in Rußland. Die Verpflichtung Moskaus, das Haushaltsdefizit 1994 unter 7,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken und die monatliche Inflation auf sieben Prozent zu senken, hatten den IWF letzte Woche zur Freigabe eines weiteren Kredits in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar für Rußland bewogen. Die Industrieländer seien nun bereit, mit Rußland über weitere Erleichterungen des Schuldendienstes zu verhandeln, etwa über eine Streckung der Zahlungsfristen. Rußland muß derzeit Auslandsschulden in Höhe von 15 Milliarden Dollar (26 Mrd. DM) bedienen. Delegationsleiter Schochin erklärte nach dem Treffen, Rußland habe jetzt die notwendigen Gesetze für den Schutz ausländischer Investitionen, die unter anderem den Investoren garantieren, daß sie ihre Gewinne ins Ausland transferieren dürfen.

Eine neue Ausgaberunde von Sonderziehungsrechten (SZR) lehnten die meisten Industrieländer ab. SZR sind ein internationales Kunstgeld, das in Devisen umgetauscht werden kann. Der IWF hatte eine SZR-Neuzuteilung befürwortet, um bedürftigen Entwicklungsländern und den GUS- Ländern Spielraum für Importe zu verschaffen. Theo Wagiel deutete aber eine Kompromißlösung dahingehend an, daß die bestehenden Währungsreserven umverteilt und ausgeliehen werden könnten.

Weitaus weniger Zufriedenheit herrschte auf der parallel zum G-7- Treffen stattfindenden Tagung der in der G24 zusammengeschlossenen Entwicklungsländer. Deren Vertreter forderten erneut einen besseren Marktzugang für ihre Waren in die Industrieländer. Die internationale Finanzgemeinschaft riefen sie auf, die Reformen in den Entwicklungsländern stärker zu unterstützen. Gleichzeitig kündigten sie an, die Rolle der G24 zu überdenken. lieb