Van Gogh steht auf der Straße

Peter Ludwig zwingt Kölns Politiker in die Knie  ■ Von Stefan Koldehoff

Köln (taz) – Wenn der aus Altersgründen scheidende Kulturdezernent Peter Nestler am kommenden Freitag seinen Schreibtisch im Kölner Rathaus räumt, läßt der 64jährige auf der Tischplatte noch einen dicken Papierstapel für seine Nachfolgerin liegen. „Picasso-Schenkung Ludwig“ steht auf dem Aktendeckel, unter dem zuoberst jener Vertrag liegen wird, den Nestler noch an seinem Abschiedstag zu paraphieren gedenkt. Am 17. Mai soll dann der Kölner Kulturausschuß, neun Tage später der Rat der Stadt über einen Schenkungsvertrag abstimmen, der die Wogen des Rheins hoch gegen das an seinem Ufer gelegene Wallraf-Richartz-Museum/ Museum Ludwig gepeitscht hat.

Neunzig Werke von Pablo Picasso hatte der Aachener Schokoladen- und Marmeladenmogul Peter Ludwig der Stadt Köln als Schenkung angeboten, weitere 51 neben etwa 600 Druckgrafiken des Spaniers und einem Konvolut zeitgenössischer Ost-Kunst als Dauerleihgabe für zehn Jahre für die neue KHD-Kunsthalle in der Nähe des Messegeländes in Aussicht gestellt. Einzige Bedingung des edlen Spenders und Mäzens: Der Museumsneubau am Rhein müsse künftig allein seinen Sammlungen vorbehalten sein, das Wallraf-Richartz-Museum habe für seine von Lochner und Rembrandt über van Gogh bis zu Matisse reichende Kollektion ein anderes Domizil zu finden.

Um den Kölner Kulturpolitikern schon einmal den Mund wäßrig zu machen, waren Teile der Ludwig-Sammlungen im vergangenen Jahr in Köln zu sehen. Verschiedenen Fachleuten fielen dabei neben einigen Spitzenwerken viel Mittelmaß im Picasso-Konvolut und einige zweifelhafte Werke unter der russischen Avantgardekunst auf. Trotzdem stärkten die Appetithäppchen den Kölner Kunsthunger: Daß einerseits angeblich auch in Japan, Barcelona und Nürnberg Interesse an den Ludwig-Leinwänden bestand und andererseits das Picasso-Konvolut Köln seinen Platz unter den führenden Museumsmetropolen der Welt endgültig sichern könnte, beförderte den Futterneid am Rhein noch zusätzlich.

Schnell entwickelten Kulturdezernent Peter Nestler und Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier vor den Wahlen ein Konzept, das die Rückverlegung des Wallraf-Richartz-Museums in sein altes Gebäude an der Rechtsschule und die Umquartierung des heute dort beheimateten Museums für Angewandte Kunst bei erheblicher Platzreduzierung in die ungeliebte Kunsthalle am Neumarkt vorsah. Die Generaldirektorenstelle der Museen, von der aus lautstarker Widerspruch zu erwarten gewesen wäre, ist nach der umstrittenen Trennung von Hiltrud Klier noch immer unbesetzt.

Alternative Planungen der Stadt befaßten sich mit kaum zu finanzierenden Neubauten am Breslauer Platz hinter dem Hauptbahnhof, am Neumarkt oder auf dem Gelände des Hotels „Mondial“. Realisten schlugen vor, nur das „Agfa-Foto-Historama“ aus dem Museum Ludwig auszugliedern und so Raum für die Picassos zu schaffen. Realisiert werden nun zunächst weder diese noch die verschiedenen kostspieligen Umzugsplanspiele. Zwar sichert der mit Ludwig vereinbarte Vertrag dem Sammler den gesamten Museumsneubau für dessen Schenkungen zu. Für das heimatlos gewordene Museum, eine der ältesten bürgerlichen Kunstsammlungen in Deutschland, allerdings beinhaltet er keine konkrete Zukunftsperspektive. In der Verwaltungsvorlage, die der zur Zeit in Peking weilende Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier per Fax absegnen soll, heißt es dazu nur inkonkret und lapidar: „Die Verwaltung wird beauftragt, ein Konzept für einen neuen Standort für das Wallraf-Richartz-Museum zu entwickeln.“