Bonn verhindert Abschalten des litauischen AKW

■ Staatliche Hermesbürgschaft für Atommüllbehälter zur Zwischenlagerung

Berlin (taz) – Klaus Töpfer findet den Schalter nicht. Im Gegenteil: Der Bundesumweltminister sorgt acht Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl mit dafür, daß das litauische AKW Ignalina weiterbetrieben werden kann. Mit einer Hermesbürgschaft sichert die Bundesregierung die Lieferung von Atommüllbehältern nach Ignalina, ohne die das AKW vom Tschernobyl-Typ RGMK spätestens 1995 vor dem Aus stünde.

„Ohne diese Behälter hätten wir das AKW abschalten müssen“, erklärte der Chef des litauischen AKW, Viktor Schewaldin, auf einer von der Heinrich-Böll- Stiftung mitorganisierten Ignalina-Konferenz in Vilnius. Nach seinen Angaben ist das Entsorgungsproblem entstanden, weil Rußland den Atommüll aus seinem AKW nicht mehr zurücknehme, so Konferenzteilnehmer Eckhard Stratmann-Mertens.

Nutznießer der Bonner Bürgschaft ist die Gesellschaft für Nuklear-Behälter (GNB). Die Tochter der Nukem und der Gesellschaft für Nuklearservice schloß im Dezember 1993 einen Vertrag mit der litauischen Regierung über die Lieferung von 60 Castor-Behältern für hochradioaktiven Atommüll. „Der erste Teil wird finanziert über einen Kredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und von einer Hermesbürgschaft abgedeckt“, erklärte GNB-Geschäftsführer Dieter Schoenfeldt gestern der taz.

Die zu 80 Prozent dem Bund gehörende KfW hat das Sieben-Millionen-Darlehen ohne Zögern eingeräumt: „Wenn die Bundesregierung bereit ist, ein Auslandsgeschäft mit Hermes zu decken, ist die Kreditanstalt bereit, es zu finanzieren“, sagte KfW-Sprecher Walter Paul. Über Hermesbürgschaften wird von einem interministeriellen Ausschuß der Bundesregierung entschieden. „Die haben gefragt: Ist das akut sicherheitstechnisch notwendig?“, beschreibt Töpfers Sprecher Franz Emde die Beteiligung seines Hauses, „und wir haben ja gesagt.“ Natürlich sei man weiter für die Abschaltung der beiden Atommeiler. Die hätten die Litauer auch für 1998 versprochen. „Das Geschäft war in Ordnung. Sonst hätten andere geliefert.“ Hermann-Josef Tenhagen

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