Wer den Schaden hat, der kriegt auch Geld Von Andrea Böhm

Schadenersatz und Schmerzensgeld sowie die damit verbundenen Gerichtsprozesse sind ein höchst populäres Thema in den USA – beliebter noch als Märchenstories und Klatschgeschichten über Lottogewinner oder Millionenerben.

Schadensersatzklagen enthalten alle nötigen Ingredienzen, um landesweite Kneipen- und Wohnzimmerdebatten auszulösen: Es geht um vermeintlich oder tatsächlich erlittenen Schmerz oder Unrecht; es geht um exorbitant hohe Geldsummen, um Gier und Neid und schließlich um die Variation eines alten amerikanischen Mythos im Zeitalter schwindender sozialer Aufstiegschancen: Der Tellerwäscher schuftet sich nicht mehr hoch bis zum Millionär. Er holt sich seine Millionen bei letzterem per Zivilklage.

Natürlich muß der Tellerwäscher nicht wirklich ein Tellerwäscher sein: Es kann sich um einen Fußgänger, einen Arbeitnehmer, einen Obdachlosen, einen Krankenhauspatienten, um Angehörige ethnischer Minderheiten oder des weiblichen Geschlechts handeln. Hauptsache, das Kriterium des potentiellen Underdogs ist erfüllt. Und natürlich muß der Millionär keine konkrete Person sein. Es kann sich um eine Firma handeln, wie jenen Produzenten von Mikrowellengeräten, der von einer Hundebesitzerin verklagt wurde, weil in der Gebrauchsanleitung nicht ausdrücklich davon abgeraten wurde, einen nassen Pudel zum Trocknen in die Microwave zu schieben. Es kann sich um ein Krankenhaus handeln, das erst nach mehreren Tagen die Abwesenheit eines Patienten bemerkt und selbigen dann tot im Liftschacht entdeckt. Es kann sich um Pharmakonzerne und Autohersteller handeln; um den Staat oder dessen Polizei, die ausversehen die falsche Wohnung durchsucht oder vorsätzlich Bürger zusammenschlägt. Unschwer zu erkennen ist: Es gibt Kläger, die unter die Rubrik „dummdreist“ fallen, und solche, denen man alles Schmerzensgeld dieser Welt gönnt.

Was die Häufigkeit bei der Auszahlung von Schmerzensgeld angeht, so hält sich seit langem die Stadt Los Angeles in rekordverdächtiger Position. Das hat wenig mit Erdbeben und anderen Naturkatastrophen, aber viel mit der dortigen Polizei zu tun. Letzte Woche verurteilte ein Zivilgericht die Stadt zu einer Zahlung von 3,8 Millionen Dollar an ihren schwarzen Bürger Rodney King, der 1991 von vier Polizisten krankenhausreif geprügelt wurde. Unter dem inoffiziellen Haushaltsposten „Kompensation für Polizeieinsätze“ verzeichnet die Stadt mit der jüngsten Gerichtsentscheidung Ausgaben in Höhe von 20 Millionen Dollar seit 1989. Rund 2,4 Millionen Dollar gingen letztes Jahr an Gewerkschaftsmitglieder, die von Polizisten verprügelt worden waren; 5,5 Millionen erstritt sich 1991 ein Angeleno, der von der Polizei angeschossen wurde und seitdem im Rollstuhl sitzt; eine Drogenrazzia im falschen Haus kam die Stadt vor vier Jahren teuer zu stehen: Drei Millionen Dollar gingen an den Kläger, dessen Apartment ramponiert wurde.

Seit dem Fall Rodney King müssen in Los Angeles auf Anweisung des neuen Polizeichefs die Ordndungshüter wieder mehr Patrouillen zu Fuß oder per Fahrrad ableisten. Das sorgt für körperliche Auslastung und zu einem in jeder Hinsicht sparsameren Einsatz des Schlagstocks.