: „Mein Fuß fühlt sich frei“
Am ersten Tag der Wahlen in Südafrika überwiegt der Neuigkeitseffekt / Drohung von Inkatha ■ Von Willi Germund
Durban (taz) – „Hey“, sagt die 53jährige Samane Hlongwane und schüttelt dem Besucher die rechte Hand, „ich hatte ganz schön Angst vor den ganzen Sachen hier.“ Die Fußgelenke zieren rot-weiße Perlenketten. Über der Brust kreuzen sich zwei schmale Tierfellhäute. Die Handgelenke sind mit bunten Armbändern geschmückt. „Nein,“ lacht die „Sangoma“, die traditionelle Heilerin, nachdem sie in dem Elendsviertel Bhambaye nahe der Stadt Durban gewählt hat, „nein, Tokolosche gibt es nicht. Alles ist in Ordnung.“
Tokolosche, kleine Kobolde, leben laut afrikanischen Erzählungen in dunklen Ecken. Die Wahlurnen, hinter denen seit gestern 22,8 Millionen Südafrikaner ihr Kreuz auf dem Stimmzettel machen dürfen, hatten manche als Tummelplatz dieser Geiste betrachtet. Samane Hlongwane lacht über solche Erzählungen. Aber so ganz geheuer war ihr beim Wählen offensichtlich nicht.
Schon zu Anfang muß sie ihre Hände in den dunklen Spalt einer Maschine schieben. Als plötzlich das Blitzlicht eines Fotografen aufleuchtet, zieht sie die Hand erschrocken zurück. Die Maschine soll ja eigentlich nur zeigen, ob die Hand bereits mit der unsichtbaren Tinte markiert worden ist, mit denen Wähler markiert werden. Und dann noch die Übung, daß der Stimmzettel in die Urnen geschoben werden muß. Samane Hlongwane betrachtet das Blechding erst einmal ganz genau. Ein Fotografenblitz – erschrocken springt sie wieder zurück. Doch dann steht sie Rede und Antwort. „Ich bin so froh“, sagt sie, „jetzt nach den Wahlen wird es vielleicht endlich wieder möglich, die ganze Nacht zu schlafen.“
Eigentlich war der Dienstag, erster von drei südafrikanischen Wahltagen, für Behinderte und Gebrechliche reserviert. Aber in Bhambaye, das seit Monaten von Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Anhängern von ANC und Inkatha heimgesucht, wird, kümmert sich niemand darum. Schon gegen Mittag wartet eine lange Schlange vor der Schule.
Zilindale Nozakuzaka ist ein Opfer der Gewalt. Das linke Bein steckt immer noch in einem dicken Gips. Im November wurde er angeschossen. Jetzt humpelt er auf Krücken nach Hause. „Ich bin so froh, jetzt wo ich gewählt habe“, jubelt der junge Mann, „sogar mein Fuß fühlt sich frei.“
Doch zwei Kilometer weiter ist von solcher Euphorie nichts zu spüren. „Wir haben keine Wahlausweise“, klagt der 35jährige Mbali Mtolu. „Die sagen, wir sollen die drüben abholen. Aber ich bin doch nicht verrückt.“ Mtolu fürchtet um seine Sicherheit, wenn er nach „drüben“ in den ANC- Sektor wechelt.
Der erste Wahltag war somit nicht ohne Probleme. Vertreter von Inkatha in Natal sprachen schon am Nachmittag von einer „Wahlkrise“: In vielen Wahllokalen seien die Aufkleber der Partei, die wegen der erst vor einer Woche verkündeten Wahlteilnahme der Zulu-Partei nachträglich auf Stimmzetteln angebracht werden mußten, nicht vorhanden. „Wenn dies weitergeht, dann wird die Partei die Wahlen wahrscheinlich boykottieren, und es wird vielleicht morgen Angriffe auf Wahlbüros geben“, warnte Peter Miller vom Inkatha-Zentralkomitee.
Bombendrohungen
In anderen Teilen Südafrikas hielten zahlreiche anonyme Bombendrohungen die Polizei in Atem. In Johannesburg waren ständig irgendwelche Teile der Innenstadt abgesperrt, weil die Beamten nach Sprengladungen suchten. Doch die unabhängige Wahlkommission stellte am Mittag als größtes Problem lediglich fest, daß zahlreiche Wahllokale die Stimmzettel mit Verspätung erhielten. Rundfunkberichte, wonach Rechtsextremisten im Norden des Landes ein Wahllokal besetzt hielten, wurden später dementiert: Die Buren hielten das falsche Gebäude besetzt.
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