Tausche Marmor gegen Maschine

VDMA rät zu Kompensationsgeschäften mit dem Osten / Wer was verkaufen will, muß seine Vertreter zu den Kunden tingeln lassen  ■ Aus Hannover Annette Jensen

„Registrierkassen zum Beispiel – ein Riesengeschäft.“ Raimund Hörth benimmt sich wie ein Aalverkäufer auf dem Hamburger Fischmarkt. Mit weitausladenden Armbewegungen versucht er, den stumm vor ihm sitzenden, seriös gekleideten Herren Geschäfte mit Osteuropa schmackhaft zu machen. Für fast alle Maschinen vom Gabelstapler bis zum Traktor gab es früher im Ostblock oft nur einen Produzenten, so daß sie technisch völlig überholt sind. „Eine große Chance für den Westen!“

Ein Zwei-Mann-Büro in Moskau reiche heute allerdings nicht mehr aus. „Sie müssen Ihren Betrieb verändern, mehr Leute vor Ort schicken“, ruft der Leiter der Osthandelszentrale beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) vehement in die Runde. Zwar sei nicht zu übersehen, daß in Rußland ein organisatorisches Chaos herrsche, mancherorts Bahnkarten nur von der Mafia zu beziehen seien. Aber dann kehrt Hörth sogleich zu seiner Werbeansprache zurück: „Glauben Sie etwa, die Firmen, die schon investiert haben, schmeißen ihr Geld zum Fenster raus?“

Kompensationsgeschäfte seien das Gebot der Stunde. Mit staatlichem Zwang wie in früheren Zeiten, als 20 Prozent der Maschinen mit häufig unbrauchbaren Waren bezahlt wurden, habe das heute nichts mehr zu tun. Ein Stuttgarter Betrieb beispielsweise habe eine Schuhfertigungsanlage nach Rumänien geliefert, darauf produzierte Schuhe zurückbekommen und die weiter nach Rußland verkauft. Verdient haben die Deutschen allerdings vorwiegend durch den 50prozentigen Geldanteil, räumt Hörth ein. Dann verteilt er eine Liste mit Produkten, die der VDMA zur Zeit für gut absetzbar hält: Erd- und Schweröl, Holzpaletten, Eichenparkett, Baumwolle, Granit und Marmor. „Sie müssen den Weiterverkauf ja nicht selbst übernehmen“, beruhigt er. Große Export-Handelshäuser hätten entsprechende Kontakte.

Thyssen: Erst das Öl und dann die Ware

„Die Marktbewältigung ist heute enorm aufwendig. Das ist die normale Folge der Marktwirtschaft“, meint auch Rolf-Jürgen Hannesen, der Thyssen im Osthandelsgeschäft berät. Fast nur Außenhändler aus der ehemaligen DDR seien für diesen „hundsgemeinen Job“ zu motivieren. Seit der Staat nicht mehr die Begleichung der Rechnungen garantiert und auch kaum noch Hermes-Bürgschaften für Ostexporte zu bekommen sind, ist der Stahlkonzern zu Kompensationsgeschäften übergegangen. „Wir kaufen meist zuerst Rohstoffe und liefern dann dafür Maschinen zurück“, beschreibt er die Geschäftspraxis. Der Handel mit dem Osten aber habe darunter gelitten – nur noch fünf Prozent der Thyssen-Exporte gingen heute in die GUS-Staaten.

Mißgelaunt ist Anatolij Neverov vom Informations- und Wirtschaftszentrum Sibiriens. „Mit Investitionen und Joint-ventures klappt es gar nicht. Die ausländischen Firmen wollten lediglich ihre Maschinen loswerden“, klagt er. Aber die politische Situation sei ja auch tatsächlich unsicher, die Westler hätten Angst vor einer Revolution. Neverov macht keinen Hehl daraus, daß er mit der Entwicklung im Kreml unzufrieden ist. Aber auch die an seinem Stand verteilten Broschüren sind kaum dazu angetan, Kapitalisten anzuziehen. „Der Verbrauchermarkt in Sibiren befindet sich im Vergleich zu anderen Regionen der Russischen Föderation in einem besonders schlechten Zustand ... Die Kaufkraft der Bevölkerung sinkt weiter“, schreibt ein Wirtschaftswissenschaftler aus Nowosibirsk. Ein Arbeiter im Maschinenbau verdiene etwa 220 Mark bei Preisen, die außer für Grundnahrungsmittel häufig deutsches Niveau erreichen, so Neverov. „Wir arbeiten nicht viel billiger als die Leute in der Tschechischen Republik, sind aber keine Nachbarn von Deutschland, sondern so weit entfernt wie New York“, konstatiert der Mann aus Sibirien – man fragt sich, warum er sich auf der Hannovermesse die Beine in den Bauch steht.

Der Stand der bulgarischen Werkzeugfabrik Instrument ist unscheinbar. Hinter einer Glasscheibe liegen einige kleine Metallteile fast in Fußbodenhöhe, die Wände sind völlig kahl. Dimiter Serafimov aber scheint zufrieden: Immerhin 65 Prozent der Lieferungen gehen heute schon nach Westeuropa. Bei Löhnen von 100 bis 120 Mark könne er seine Produkte zwei bis dreimal billiger anbieten als die Konkurrenz in Deutschland. Sein Kollege Alexander Penof von der Kauchuk Co., die Schläuche und Reifen auf westlichen Maschinen nach westlichen Normen produziert, sieht die Situation pessimistischer: „Die Märkte hier sind voll. Unser Betrieb ist nur zu 45 Prozent ausgelastet, die russischen Rohstoffe müssen wir heute teuer bezahlen, und die Inflation wächst.“

Auch in Polen halten sich die Deutschen mit Investitionen zurück, obwohl der Handel ansonsten rapide wächst. Die billigen Löhne führen nicht selten zu transportintensiven Kooperationen: Deutsche Krabben werden in Danzig gepult, um dann nach Holland zur Dosenfabrik transportiert zu werden. „Ein normales Ausspielen von Marktmacht“, kommentiert VDMA-Mann Hörth.